Fachkräftemangel und finanzielle Probleme

Pflege in RLP vor dem Kollaps - Probleme und Lösungen

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Autor/in
Sibille Lozano
Bild von Sibille Lozano, Redakteurin bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz

Rund 4,8 Millionen Menschen in Deutschland sind laut Bundesgesundheitsministerium pflegebedürftig. Verbände warnen: Es gibt zu wenig Personal, um sie angemessen zu versorgen.

Es ist die Dusche, die morgens wegfällt. Der Kompressionsstrumpf, der nicht gewechselt wird. Immer öfter kann Pflegepersonal nicht die Aufgaben stemmen, die es wahrnehmen müsste.

Eine aktuelle Umfrage der Diakonie Deutschland zeigt, dass mehr als zwei Drittel ihrer Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste bereits Leistungen kürzen musste, weil Mitarbeitende fehlten. Mehr noch: Sogar Betten blieben frei, weil zu wenig Personal da war, um Patientinnen und Patienten zu betreuen.

Deutschland mitten in einer Pflegekrise?

In der ambulanten Pflege gaben 89 Prozent der Dienste an, in den vergangenen sechs Monaten Neukundinnen und -kunden abgelehnt zu haben. Hauptgrund auch hier: fehlendes Pflegepersonal. Entweder waren Stellen nicht besetzt oder viele Kräfte waren krank. Für die Diakonie Deutschland ist klar: Die Versorgungssicherheit in der Langzeitpflege ist stark gefährdet, Deutschland sei mitten in einer akuten Pflegekrise.

"Die Zahlen zeigen es: Wir sind bereits mitten in einer akuten Pflegekrise."

Weniger Pflegepersonal bedeutet weniger Gewinn

Es ist offensichtlich, warum der Personalmangel so gravierende Folgen hat: Wenn Fachkräfte fehlen, die sich um Pflegebedürftige kümmern, können die Einrichtungen und ambulanten Dienste keine neuen Patientinnen und Patienten mehr annehmen. Ohne Pflegepersonal also keine Patienten. Und ohne Patienten keine Einnahmen.

Albrecht Bähr von der Arbeitsgemeinschaft Diakonie in Rheinland-Pfalz bestätigt: "Wir leiden erheblich." Es gebe große Gewinneinbrüche. Hinzu komme, dass die Diakonie auch Menschen betreue, die über wenige finanzielle Mittel verfügten. "Wir suchen nicht aus, ob ein Patient sich lohnt", sagt Bähr.

Aber nicht nur die Anbieter der freien Wohlfahrtspflege haben finanzielle Probleme, auch die privaten Pflegedienste. Laut bpa, dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, haben in Rheinland-Pfalz mehr als die Hälfte Sorgen um ihre wirtschaftliche Existenz in naher Zukunft. Mehr als 70 Prozent hätten in den letzten Monaten "signifikante negative Veränderungen" ihres Betriebsergebnisses festgestellt. Auch sie verdienten also deutlich weniger.

Warum ausländische Fachkräfte (k)eine Lösung sind

Klar ist: Der Personalmangel ist nur ein Grund für die schwierige finanzielle Lage in der Branche. Sebastian Rutten von der Pflegegesellschaft Rheinland-Pfalz zählt auf: Auch die hohen Benzin- und Energiekosten spielten eine Rolle, außerdem würden Investitionskosten nur unzureichend finanziert. Viele Pflegedienste hätten zudem keine Rücklagen, um lange Zahlungsausfälle durchzustehen.

Für Rutten steht fest: Ausländische Pflegefachkräfte könnten das Problem zum Teil lösen. Er fordert von der Politik, ihre Anerkennungsverfahren deutlich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Diakonie-Sprecher Albrecht Bähr sieht das kritisch. "Es gibt hier ethisch zwei Komponenten", gibt er zu bedenken. "Wir ziehen woanders Fachkräfte ab, wo sie auch gebraucht werden."

"Böses Blut" durch Zeitarbeitskräfte in der Pflege

Können Zeitarbeitskräfte dazu beitragen, die angespannte Lage zu entzerren? Auf den ersten Blick scheint es so. Aber sowohl die Pflegegesellschaft als auch die Diakonie sind sich einig: Fremdpersonal einzusetzen, bringt neue Probleme mit sich.

"Zeitarbeitsfirmen werben Leute ab, zahlen ihnen höhere Gehälter, und dann kommen sie zurück in die Pflegeeinrichtungen", erklärt Albrecht Bähr. Dort dürften sie sich ihre Dienste aussuchen. "Das gibt böses Blut."

Pflegeberuf muss attraktiver werden

Was also tun? Für Albrecht Bähr ist entscheidend, dass es den Menschen wieder Spaß macht, in der Pflege zu arbeiten. Dass sie angemessen bezahlt und wertgeschätzt werden. Kurzum: Die Bedingungen in der Pflege müssen verbessert werden. Mitarbeitende müssten beispielsweise die Chance bekommen, Familie und Beruf besser in Einklang zu bringen, auf ihre Gesundheit zu achten und verlässlich Freizeit zu bekommen. Bähr setzt zudem auf Quereinsteigerinnen und -einsteiger, um mehr Personal zu gewinnen. Sebastian Rutten fordert unter anderem eine Reform der Aus- und Weiterbildung.

Die Diakonie Deutschland will hingegen eine grundlegende Struktur- und Finanzreform der Pflege. Das neue Pflegegesetz, das am 26. Mai im Bundestag verabschiedet wurde, zeige jedoch: die große notwendige Reform sei ausgeblieben.

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