In vielen Krankenhäusern in Rheinland-Pfalz drängen zurzeit deutlich mehr Patientinnen und Patienten in die Notaufnahmen. Der Grund: Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat seit Jahresbeginn die Öffnungszeiten der ärztlichen Bereitschaftspraxen erheblich reduziert und sieben Anlaufstellen komplett geschlossen.
Das führt dazu, dass Patientinnen und Patienten vermehrt die Notaufnahmen ansteuern. "Das ist schon eine große Belastung. Das kann kein Dauerzustand sein, da hier wertvolle Zeit für die Behandlung von Notfallpatientinnen verloren geht", sagte der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz, Andreas Wermter, in Mainz der Deutschen Presse-Agentur.
"In die Notaufnahme für Rezept oder Krankmeldung"
Klar sei: Wer medizinische Versorgung bräuchte, bekomme sie dort auch. Man stelle aber fest, dass die Notaufnahme im Krankenhaus von jenen Patientinnen und Patienten häufig aufgesucht werde, um "nur" ein Rezept oder eine Krankmeldung zu besorgen. Diese würden die Notaufnahmen aber in der Regel gar nicht ausgeben. Seit 1. Januar haben die ärztlichen Bereitschaftspraxen nachts zu. Auch montags, dienstags und donnerstags ist geschlossen. Mittwochs, freitags, an Wochenenden und an Feiertagen gelten reduzierte Zeiten.
Im Klinikum Idar-Oberstein merkt man die Auswirkung deutlich. Im Januar seien 430 Patientinnen und Patienten mehr in der Notaufnahme behandelt worden, sagte der Ärztliche Direktor des Klinikums, Ulrich Frey. "Das ist ein Zuwachs von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum." Etliche Patienten und Patientinnen würden auch sagen: "Wir wollten eigentlich in die Bereitschaftspraxis, aber die ist ja zu und deswegen kommen wir zu Ihnen."
Ärztlicher Direktor: "Für alle Beteiligten unbefriedigend"
Das Mehr an Patientinnen und Patienten sei eine zusätzliche Belastung für die Notaufnahme. Hinzu komme, dass im Krankenhaus keine sachgerechte Vergütung der ambulanten Leistungen erfolge. Daher forderte er von der KV, die Öffnungszeiten der Bereitschaftspraxen wieder auszuweiten. Oder kürzere Öffnungszeiten mit mehr Vorlauf vorzubereiten, dass "notwendige Ressourcen" aufgebaut werden könnten. "Aber so ist das für alle Beteiligten unbefriedigend", sagte Frey.
Bagatellfälle konkurrieren mit echten Notfällen
Das Marienhaus Klinikum in Mainz hat im Januar auch rund 20 Prozent mehr Patientinnen und Patienten registriert. Diese kämen "annähernd ausschließlich mit Bagatellerkrankungen" wie Erkältungen oder Durchfallerkrankungen, teilte eine Sprecherin mit. "Diese Patienten konkurrieren leider um Behandlungskapazitäten echter Notfälle und verbrauchen unnötige, für das Krankheitsbild oftmals nicht notwendige Personal- und Zeitressourcen."
Der Ärztliche Leiter der Notaufnahme des Klinikums Mutterhaus in Trier, Daniel Stefka, sagte: "Wir behandeln keine Bagatellen, sondern Schwerkranke." Wenn ein Patient oder eine Patientin also das Gefühl habe, die Krankheit sei so schwer, dass er oder sie damit im Krankenhaus stationär behandelt werden müsse, dann sei die Notaufnahme der richtige Ort. Aber Patientinnen und Patienten, die vielleicht keinen raschen Termin beim Facharzt bekommen oder deren Rezept ausgelaufen ist: "Für diese Anliegen sind die niedergelassenen Ärzte zuständig."
Jene Patientinnen und Patienten, die auch schon vorher kamen, seien mit der Änderung mehr geworden, sagte Stefka. Um wie viel könne er nicht sagen. "Aber die große Masse an Patienten, die die Bereitschaftsdienstzentrale immer versorgt hat, die ist nicht eins zu eins gekommen. Aber: Für uns ist jeder Patient, der dazu kommt, viel. Wir sind ohnehin schon bis oben ausgelastet." Am Tag gebe es 60 bis 100 Fälle in der Notaufnahme.
Klinikum: Vor allem in der Nacht mehr Patienten und Patientinnen
Auch im nördlichen Rheinland-Pfalz sind die Folgen spürbar. "An fast jedem unserer fünf Standorte ist das Patientenaufkommen gestiegen, dies insbesondere in der Nacht", teilte eine Sprecherin des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein mit. Das Unternehmen betreibt Krankenhäuser in Koblenz, Mayen, Boppard und Nastätten. "Um auch weiterhin die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten, musste sogar teilweise Personal in der Nacht aufgestockt werden, was in Zeiten von anhaltendem Fachkräftemangel eine Herausforderung ist."
Das Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz berichtet von ähnlichen Erfahrungen. "Auch in unserem Hause war ein deutlich spürbarer Effekt durch ein gestiegenes Patientenaufkommen in unserer Notaufnahme wahrzunehmen", teilte ein Sprecher mit. "Im Vergleich zu Januar letzten Jahres waren es ungefähr 20 Prozent mehr Patienten - dies sicherlich zumindest anteilig aufgrund der aktuellen Situation."
Wenn die Verantwortlichkeit von der KV tatsächlich auf die Kliniken übergehen sollte: "Dann muss man uns auch sachlich, räumlich, personell und finanziell besser ausstatten", sagte Andreas Wermter von der Krankenhausgesellschaft, die Kliniken an 90 Standorten in Rheinland-Pfalz vertritt. "Es kann nicht sein, dass wir die Aufgaben ständig als eine Art Lückenbüßer übernehmen und am Ende nichts dafür bekommen." Das Gesundheitsministerium in Mainz müsste darauf hinwirken, dass die KV ihre gesetzliche Pflicht erfülle.
Reduzierung der Bereitschaftsdienste als Reaktion auf Gerichtsurteil
Die KV hatte mit der Reduzierung der Bereitschaftsdienste auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom vergangenen Oktober reagiert. Demnach unterliegen freiberuflich tätige Poolärzte und Poolärztinnen der Sozialversicherungspflicht. Die KV befürchtete dadurch eine massive finanzielle Mehrbelastung von Praxen. Neu ist, dass in Randzeiten auch ein Hausbesuch durch eine Ärztin oder einen Arzt möglich wird - über die Patientennummer 116117.