Ein ziemliches Horror-Szenario für jeden Archivar oder Buchliebhaber war das, was da in der Mainzer Stadtbibliothek am Donnerstag geübt wurde: Die Teilnehmenden sollten sich vorstellen, es habe das gesamte Wochenende geregnet und die Beschäftigten der Mainzer Stadtbibliothek kämen an einem fiktiven Montag ins Gebäude - und alles sei nass.
Bücher für Notfall-Übung in Kästen eingeweicht
Für die Übung waren zahlreiche Bücher schon 24 Stunden vorher in Plastikkisten eingeweicht und verschmutzt worden. Aus einigen Bücher tropfte das Wasser, andere Dokumente waren voller Schlamm, der absolute Albtraum für alle Bibliothekare. Mit Unterstützung von zwei Restauratoren wurde jetzt geübt, was in einem solchen Notfall zu tun ist.
Es müsse so schnell wie möglich gehandelt werden, das sei das Wichtigste, erklärt, Markus Vieten. Er ist Restaurator und einer der beiden Leiter der Notfall-Übung. "Zuerst muss festgestellt werden, was es für ein Schaden ist und woher er kommt. Bei einem Wasserrohrbruch zum Beispiel muss natürlich gleich die Wasserleitung abgedreht werden", erklärt der Restaurator. Anschließend müssen die beschädigten Bücher geborgen werden. Dann wird dokumentiert, um was es sich handelt.
Und schließlich wird versucht, das Buch zu retten. Da gibt es viele Möglichkeiten, erklärt der Experte. "Bei leicht feuchten Büchern oder Dokumenten kann die Lufttrocknung ausreichen. Wenn es schlimmer ist, müssen die Objekte in Materialien gepackt werden, die die Feuchtigkeit herausziehen. Und wenn die Bücher zum Beispiel richtig nass sind, dann hilft nur noch die Gefriertrocknung, sagt Vieten. Die sei aber sehr teuer, weil man dazu spezielle Maschinen brauche.
Übungen sind wichtig für die Stadtbibliothek Mainz
Für Christan Richter, der in der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Mainz für den Altbestand zuständig ist, sind solche Übungen sehr wichtig. "Es ist zwar schon meine dritte, aber aufgeregt bin ich trotzdem, man will ja auch alles richtig machen", sagt Richter.
Denn in den Archiven lagern wertvolle Schätze, zum Beispiel 1.300 Handschriften, von denen zwei Drittel aus dem Mittelalter stammen, die älteste etwa aus dem Jahr 800. Insgesamt lagern laut Richter rund 80.000 Werke in der Mainzer Stadtbibliothek, die als unersetzbar gelten. Deshalb sagt er: "Lieber den Ernstfall proben, als von ihm überrascht werden."
Mainzer Notfallverbund nahm an Übung in Stadtbibliothek teil
An der Übung beteiligten sich gut 20 Teilnehmende aus dem sogenannten Mainzer Notfallverbund. Den gibt es seit 2016. Dem Verbund gehören elf verschiedene Kultureinrichtungen in Mainz an, unter anderem auch das Gutenbergmuseum und das Naturhistorische Museum.
Alle haben sich dazu verpflichtet, sich im Notfall gegenseitig zu unterstützen. Das bezieht sich vor allem auf Personal, Material, Infrastruktur und einem Austausch von Erfahrungen.