Eine dunkelblaue Tapete mit rosafarbenem Blumenmuster, klobige 70er-Jahre-Lampen mit schummerigem Licht, die an beiden Seiten des Saals von der Decke hängen. Und ein knallroter angeleuchteter Vorhang, der sich mit einem leichten Surren teilt und den Blick freigibt auf die große Kinoleinwand. So kennen viele Mainzerinnen und Mainzer das Capitol, das älteste Filmtheater der Stadt. Schon 1933 wurde es erbaut und hat seitdem viele Generationen an Kinogängern erlebt.
Viele gute Erinnerungen an die Mainzer Programmkinos
"Ich verbinde mit dem Kino schöne Abende mit netten Menschen um mich herum und den Geruch von Popcorn an einem Ort, an dem der Film ganz im Vordergrund steht und nicht der Kommerz", schwärmt Kinobesucher Paul Götz. Er habe hier unter anderem den ersten Jahrestag mit seiner Freundin im Kinosaal verbracht, erzählt er lächelnd, und habe nur gute Erinnerungen an die Mainzer Programmkinos.
Ähnlich geht es Kinobesucherin Claudia Leppert. Sie habe über das Mainzer Programmkino eine mittlerweile sehr gute Freundin kennengelernt: "Wir waren über unsere gemeinsame Film-Leidenschaft ins Gespräch gekommen und dann auch hier das erste Mal zusammen im Kino."
"Für uns war das auch immer ein toller Treffpunkt mit Freunden in der Stadt", ergänzt ihr Begleiter Philipp Leppert. "Hier konnte man gut nach Feierabend mal hingehen, auch in die früheren Vorstellungen gegen 17 Uhr, um gemeinsam den Tag ausklingen zu lassen."
Kinoprogramm abseits des Mainstreams
Das Capitol und auch das zugehörige Palatin im Mainzer Bleichenviertel gleich um die Ecke standen für Kino abseits des Mainstreams: weniger Blockbuster, mehr Independent-Filme. Bis zu 90.000 Besucherinnen und Besucher jährlich kamen zuletzt vor der Corona-Pandemie in die Mainzer Programmkinos. Viele Kinogänger schätzten es außerdem, dass dort auch Filme in Originalsprache mit Untertiteln gezeigt wurden.
Dazu hätten die verschieden großen Kinosäle mit Platz für etwa 40 bis zu mehr als 300 Menschen alle noch ein ganz eigenes Flair, findet Kinogängerin Renate Hellmuth: "Capitol und Palatin haben einfach mehr Gefühl, Stil und Charme." Es sei wirklich ein Drama, dass sie schließen müssten.
Abbau im Palatin-Kino hat schon begonnen
Im Capitol und im Palatin sind die Lichter und die Filmprojektoren nun aus. Im Palatin hatte das Kino-Team bereits mit dem Abbau der Kinosessel begonnen. In den anderen beiden Sälen liefen am Mittwochabend noch die letzten Filme.
Zukunft zu unsicher für Betreiber der Mainzer Programmkinos
Die beiden Betreiber der Mainzer Programmkinos, Jochen Seehuber und Eduard Zeiler, hatten sich mit Bedauern zum Schlussstrich entschlossen. Zuletzt waren Gespräche mit der Stadt Mainz und dem neuen Inhaber des Gebäudes, in dem sich das Palatin befindet, über eine gemeinsame Zukunft gescheitert. Hintergrund ist, dass dieses Gebäude im kommenden Jahr abgerissen wird und ein Neubau entstehen soll. In dem Neubau soll zwar nach dem Willen der Stadt ein neues Kino Platz finden – doch bis es so weit ist, wird es einige Jahre dauern. Das sei ihnen zu unsicher, so die Betreiber. Und erstmal nur das Capitol weiterzuführen, sei nicht wirtschaftlich.
Viele in Mainz bedauern die Kino-Schließung
Viele Mainzerinnen und Mainzer finden es schade, dass Capitol und Palatin nun geschlossen sind. Neben dem kommunalen Kino CinéMayence waren es die einzigen verbliebenen Programmkinos der Stadt. Zuletzt war 2017 das Residenz- und Prinzess-Kino an der Großen Langgasse geschlossen und abgerissen worden.
"Da wird jetzt erstmal eine Lücke klaffen“, befürchtet Kinoliebhaber Philipp Leppert, "zwischen dem Mainstream-Kino CineStar und dem Arthouse-Kino CinéMayence." Es sei wirklich schade, dass diese Programmvielfalt verloren gehe, meint auch Kinogänger Frank Peters. "Kino ist natürlich eine kommerzielle Angelegenheit, aber wenn es nur noch um Kommerz geht und Kunstfilme keine Gelegenheit mehr haben, gezeigt zu werden, dann leidet die ganze Filmbranche darunter."
"Einfach nur traurig", findet es Marlies Hof. Sie sei oft und gerne hier gewesen und dafür immer extra aus Bodenheim hergekommen. Besonders werde sie die kleinen Kinosäle im Palatin vermissen. "Da hatte man eigentlich immer einen guten Sitzplatz." Außerdem seien die Preise bis zuletzt immer fair gewesen, was man von anderen Kinoketten nicht behaupten könne, sagt Kinogänger Paul Götz.
Petition zum Erhalt der Mainzer Programmkinos
Auch eine im Sommer 2021 gestartete Petition für den Erhalt von Capitol und Palatin konnte am Ende nicht helfen – trotz mittlerweile mehr als 31.000 Unterschriften. Die Hoffnungen liegen nun auf den Zusagen der Stadt Mainz, die allgemeine Zukunft der Programmkinos sichern zu wollen.
Stadt Mainz plant neues Kino und Weiterbetrieb vom Capitol
Die Stadt will zum einen das Erdgeschoss des geplanten Neubaus kaufen, um dort ein neues Kino einzurichten und zum anderen auch das Capitol-Gebäude erwerben. Das würde bedeuten, dass zumindest im Capitol bald mit neuen Betreibern wieder Kino stattfinden könnte. Der Mainzer Stadtrat hat den entsprechenden Plänen der Stadtverwaltung bereits zugestimmt. Details dazu, wie es genau weitergehen soll, will die Stadt in der kommenden Woche bekannt geben.
Abschiedsfeier am Freitagabend im Palatin
In dieser Woche steht aber zunächst noch alles im Zeichen des Abschieds von Capitol und Palatin. Am Freitagabend steigt im Palatin eine Feier mit Konzert und DJ. Nach einem Kinosessel-Verkauf am Donnerstagabend werden die Säle dann frei sein, um zur Tanzfläche zu werden – bevor dann auch im Palatin die Lampen ausgehen und sich die Kinovorhänge mit einem leisen Surren schließen.