Das Interesse und die Reaktionen auf den Rücktritt des gesamten Gemeinderates von Freisbach (Kreis Germersheim) sind nach wie vor groß. Dort hatten nacheinander alle Ratsmitglieder ihren Rücktritt verkündet. Der Grund: Für dieses und kommendes Jahr wurde der Finanzhaushalt der Gemeinde von der Kommunalaufsicht noch nicht genehmigt, weil die Ausgaben des Ortes die Einnahmen deutlich übersteigen. Damit steht die Ortsgemeinde in der Südpfalz aber nicht alleine dar.
Auch in Rheinhessen schwierige Haushaltsfindung
Auch in Rheinhessen haben einige Kommunen Schwierigkeiten, ihren Haushalt auszugleichen. In der Stadt Bacharach beispielsweise hatte die Kommunalaufsicht dem Haushalt erst im dritten Anlauf zugestimmt – und ihn trotzdem noch beanstandet, wie Bacharachs Bürgermeister, Philipp Rahn (SPD) auf SWR-Anfrage mitteilte. Trotz aller Bemühungen sei es nicht möglich gewesen, einen ausgeglichenen Etat vorzulegen.
Hauptkritikpunkt der Kommunen ist, dass das Land ihnen immer mehr Aufgaben aufbürde, aber nicht für die entsprechende finanzielle Entlastung sorge. In Bacharach hatte der Rat letztlich doch mit großem Widerwillen zugestimmt, die Grundsteuer A und B sowie die Gewerbesteuer zu erhöhen. Damit sei die Schmerzgrenze erreicht, so der Stadtbürgermeister. Es gebe auch keinen Spielraum für weitere Einsparungen.
Haushalt von Bodenheim mehrmals abgelehnt
Auch in Bodenheim wurde der Haushalt dreimal abgelehnt. Zwar sei Bodenheim nach Angaben seines Bürgermeisters Thomas Becker-Theilig (SPD) noch ganz gut situiert, allerdings würde er sich in seinem Amt als Bürgermeister oft wie ein Bittsteller fühlen.
Auch in Bodenheim werde dieselbe Diskussion wie in Freisbach geführt. "Die Kommunalstruktur in Rheinland-Pfalz ist am Ende", sagt Becker-Theilig. Er habe großen Respekt vor den Pfälzer Kollegen. Auch er arbeite "mit der Faust in der Tasche" und frage sich, wer bei der anstehenden Kommunalwahl überhaupt noch antreten werde.
Streit um unausgeglichenen Haushalt Freisbach: Gemeindespitze tritt aus Protest zurück
Im südpfälzischen Freisbach sind der Ortsbürgermeister und der Gemeinderat geschlossen zurückgetreten. Grund ist ein Streit um den noch nicht genehmigten Haushalt.
Rheinhessische Gemeinden haben Verständnis für Freisbach
Nicht verwunderlich also, dass viele Ortsgemeinden in Rheinhessen Verständnis für den Rücktritt des Gemeinderates in Freisbach haben. Auch Gensingens Bürgermeister Armin Brendel (FWG) beklagt, dass die Kommunen und Ehrenamtlichen immer mehr Aufgaben leisten müssen. Auch deswegen ist für ihn schon klar: Nach 20 Jahren als Ortsbürgermeister möchte er bei der Kommunalwahl 2024 nicht mehr kandidieren.
Er wisse auch von vielen seiner Kolleginnen und Kollegen, dass die Bereitschaft sich aufstellen zu lassen, geringer wird. Viele von ihnen seien frustriert. "Es wird immer mehr von uns verlangt, dabei machen wir das komplett ehrenamtlich."
Petition für bessere Arbeitsbedingungen
Auch in Oppenheim sei die Lage schwierig, sagt Bürgermeisterin Silke Rautenberg (AL) auf SWR-Nachfrage. Der Bürgermeister von Gau-Algesheim, Michael König (CDU), formuliert es noch drastischer. Er sagt: "Die Kommune steht kurz vor dem Kollaps [...]. Dieses ganze System krankt und bewegt sich immer mehr auf die Intensivstation."
Viele der Ratsmitglieder seien inzwischen resigniert. Auch deswegen habe er großes Verständnis für Freisbach. Er selbst wolle aber nicht hinwerfen. Wie viele andere Bürgermeister auch hatte er sich Ende letzten Jahres an einer Petition beteiligt, in der die Bürgermeister mehr finanzielle und personelle Unterstützung vom Land forderten.