Im Mai 1978 zum Beispiel gab es viel Regen. Die Älteren in Selzen wissen noch, dass es drei Tage lang praktisch durchgeregnet hatte. Zu viel Wasser für die schmale Selz. Sie trat über die Ufer und überflutete große Teil des Dorfes Selzen. Aber das war nur eines von ganz vielen Hochwasser, die die Selzer Bürger in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben. Die 81-jährige Ute Kempf, die ihr ganzes Leben in Selzen wohnt, berichtet von 1959. Das Wasser habe damals so hoch in den Straßen gestanden, dass die Menschen über Bretter-Stege in ihre Häuser laufen mussten. "Aber eigentlich haben wir fast jedes Jahr hier Hochwasser", erzählt Ute Kempf weiter.
Das bestätigt auch Michael Spitzel. Sein Haus grenzt fast unmittelbar an die Selz. Er erzählt, dass das Flüsschen Jahr für Jahr über die Ufer tritt und seinem Grundstück gefährlich nahe kommt. "Das ist immer ein seltsames Gefühl, wenn man abends da sitzt, Starkregen kommt und man Angst haben muss, dass die Selz das Haus überflutet." Ein bis zwei Meter steige die Selz regelmäßig an und überflute dann mindestens den Uferweg.
Hochwasserschutz für jedes einzelne Haus
Die Verbandsgemeinde Rhein-Selz weiß um die Gefährdung ihrer Ortsgemeinden entlang des Flüsschens. Sie hat ein Ingenieurbüro beauftragt, in allen fünf Selztalgemeinden in der VG Hochwasserschutzmaßnahmen zu erarbeiten. Deshalb haben die Experten nun Selzen besucht. In den nächsten Wochen folgen Undenheim, Friesenheim, Köngernheim und Hahnheim.
Dabei sei es wichtig, sich mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Gemeinden zu unterhalten, so Christina Bitz, erste Beigeordnete der VG. "Die Fachleute haben ja erstmal nur das Kartenmaterial. Aber jede Mauer, jedes Haus, jeder kleine Hügel lässt das Wasser anders laufen. Deshalb sind die Erfahrungen der Einwohner ungemein wichtig." Und die Fotos, die von den Hochwassern der vergangenen Jahrzehnte gemacht wurden.
"Wir wurden nicht ernst genommen"
Für Michael Spitzel ist diese Aktion enorm wichtig. Er hatte immer wieder in den vergangenen Jahren mit den unterschiedlichen Behörden gesprochen und vor den Gefahren durch die Selz gewarnt. "Wir wurden überhaupt nicht ernst genommen."
Und selbst, als es dann Überflutungen gab, hätten Politiker zwar dringenden Handlungsbedarf gesehen, passiert sei aber nichts.
Hochwasser bedroht Selzen auch "von hinten"
Das Team um Ingenieur Heinrich Webler dagegen nimmt bei der Dorfbegehung alle Hinweise der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst. Alte Fotos werden mit der heutigen Situation verglichen, die Beschreibungen der Selzanwohner notiert. Allerdings weiß Webler, dass Selzen auch Gefahr aus einer ganz anderen Richtung droht. "Bei einem heftigen Starkregen - und solche Ereignisse werden immer häufiger - kann das Wasser sich in den Gräben außerhalb des Ortes sammeln und ins Dorf strömen. Die Häuser werden dann sozusagen von hinten überflutet. Das hat hier niemand auf dem Schirm."
Bis Ende des Jahres gibt es einen Maßnahmenkatalog
Die erste Beigeordnete Christina Bitz hofft, durch die Zusammenarbeit zwischen den Fachleuten, den einzelnen Gemeinden und den Bürgern vor Ort die schlimmsten Schäden künftig verhindern zu können. Bis Ende des Jahres soll es für jede der fünf Selztalgemeinden einen Maßnahmenkatalog geben, der die gefährdeten Häuser vor den schlimmsten Schäden schützen könnte. Allerdings: Eine finanzielle Förderung privater Schutzmaßnahmen gebe es leider nicht, betont Ingenieur Heinrich Webler. Nach den Gemeinden an der Selz wird sich die Verbandsgemeinde Rhein-Selz dann ihre Städte und Gemeinden am Rhein zum Thema Hochwasserschutz anschauen.