Hanna und Meliha sind beide an die Uni Mainz gekommen, um mehr über die Forschung zum Usher-Syndrom zu erfahren. Beide Frauen haben die seltene Krankheit. Das Syndrom ist erblich bedingt und bislang unheilbar. Es wird auch die Taub-Blinden-Krankheit genannt. Bei dem Usher-Syndrom hören die Betroffenen schlecht oder sind taub und erblinden zusätzlich oft im Laufe der Zeit.
Hanna ist wegen des Usher-Syndroms von Geburt an taub
Hanna ist taub auf die Welt gekommen, schon früh haben ihre Eltern einen Gentest machen lassen und so herausgefunden, dass Hanna das Usher-Syndrom hat. Die 27-Jährige trägt Cochlea-Implantate. Das sind elektronische Hörprothesen. Deshalb höre sie relativ normal, erzählt sie. Viel lese sie aber auch von den Lippen ab. Im Teenageralter verschlechterten sich dann schubweise Hannas Augen, ihr Gesichtsfeld ist mittlerweile stark eingeschränkt.
Seit ungefähr zwei Jahren benutzt die 27-Jährige auch einen Blindenstock in fremden Umgebungen. Hanna ist beeindruckt, wie sehr sich die Forschenden an der Uni Mainz einsetzen und hofft, dass sie herausfinden, wie man verhindert kann, dass die Zellen im Auge absterben. "Für meine Ohren habe ich durch die Implantate einen Ersatz, für meine Augen gibt es so etwas nicht", sagt Hanna.
Hanna spricht offen mit anderen über ihre Krankheit
Hanna ist schon immer offen mit der Krankheit umgegangen. In ihrem Umfeld sagt sie klar und direkt, was sie braucht und was nicht. Gemütliches Licht auf der Couch sei für andere zum Beispiel schön, für sie aber schwierig, denn dann sehe sie kaum mehr etwas. Die 27-Jährige ist durch und durch Optimistin. Sie sagt über sich selbst: "Ich führe ein sehr glückliches Leben."
Bei Meliha ist der Krankheitsverlauf dagegen ein anderer. Sie hat eine angeborene Schwerhörigkeit. Aber bis vor einigen Jahren wusste sie nicht, dass sie das Usher-Syndrom hat. "Ich musste jahrelang diese Entwicklung hinnehmen, dass ich immer schlechter sehe, ohne dass ich wusste, was mit mir los ist", erzählt die 36-Jährige.
Nach und nach wird das Sehvermögen beim Usher-Syndrom schlechter
Erst habe sie in der Dämmerung immer schlechter gesehen, dann sei sie auch über Stufen gestolpert oder habe sich an einer Schranktür den Kopf gestoßen, erinnert sich Meliha. Mittlerweile ist bei ihr das Blickfeld oben und unten nicht mehr vorhanden. Sie ziehe sich immer weiter zurück und fühle sich isoliert.
Die Ungewissheit, wann und ob sie ganz erblinde, sei sehr schlimm für sie, sagt Meliha. Sie lese sehr gerne und viel. "Ich habe Angst, wegen der Krankheit irgendwann nichts mehr lesen zu können." Meliha hofft, dass es nicht so weit kommt und es irgendwann eine Therapie für Usher-Patienten und Patientinnen gibt.
Etwa 8.000 Betroffene in Deutschland
Wie viele Usher-Betroffene es in Deutschland gibt, könne man nicht genau sagen, erklärt der Zellbiologe Uwe Wolfrum von der Uni Mainz. Man gehe von 8.000 bis 10.000 Betroffenen aus, vermutlich sei die Dunkelziffer aber höher. Der Mainzer Wissenschaftler forscht seit rund 25 Jahren zu dem Usher-Syndrom.
Die Forschung an seltenen Erkrankungen sei nicht immer einfach, so Wolfrum. Denn sie seien in der Öffentlichkeit nicht präsent. Große Pharmakonzerne hätten zudem kein Interesse daran, Medikamente oder Therapien zu entwickeln, weil das kein Geld bringe. Spenden, wie sie das Forschungsteam kürzlich von einer Stiftung bekommen habe, seien daher wichtig.
Betroffene wünschen sich Aufklärung und Verständnis
Das Usher-Syndrom sei noch zu wenig erforscht, viele Fragen seien noch unbeantwortet. Man wisse noch nicht genau, wieso die Zellen im Auge absterben. Es gebe zwar schon Therapieansätze für das Auge, aber das sei noch ein weiter Weg. Denn es müssten erst noch klinische Studien durchgeführt werden, so Wolfrum. Meliha und Hanna wünschen sich, dass besser über seltene Erkrankungen aufgeklärt wird. Und andere Menschen nicht so schnell urteilen oder sie als dumm oder arrogant abstempeln, nur weil sie wegen ihrer Hörbehinderung nicht immer sofort reagieren oder alles verstehen.