Immer wieder waren in den vergangenen Tagen Kommunalwahl-Kandidaten aus Rheinhessen und von der Nahe Anfeindungen ausgesetzt.

Ton an Wahlkampfständen wird rauer

Kommunalwahl in Rheinhessen und an der Nahe: Angriffe auf Kandidaten

Stand
Autor/in
Alexander Dietz
Alexander Dietz ist Reporter im SWR Studio Mainz.

Eine SWR-Umfrage unter den Parteien in der Region zeigt, dass auch in Rheinhessen und an der Nahe die Kandidierenden für die Kommunalwahl verstärkt Anfeindungen ausgesetzt sind.

Michael Simon, Spitzenkandidat der SPD im Kreis Bad Kreuznach, war vor drei Wochen privat in einer Kneipe in der Nordpfalz unterwegs, als er von einem Mann körperlich angegangen wurde: "Er hat sich vor mir bedrohlich aufgebaut und mich verbal beschimpft." Es sei um die Politik seiner Partei gegangen. "Ich habe ihn dann zurückgeschoben und habe mir dabei einen Finger verdreht." Aktuell ringe er noch mit sich selbst, ob er den Mann auch anzeigen soll. Sein Finger sei immer noch blau.

Verbale Attacken auf Kommunalpolitiker

Verbale Attacken an Infoständen sind laut Simon dagegen mittlerweile zum Standard geworden. Der Landtagsabgeordnete beobachtet in der Bevölkerung ein hohes Potential an "diffuser Unzufriedenheit". Diese Unzufriedenheit entlade sich immer öfter verbal. Zuletzt seien auch Mitglieder der Jusos an einem Stand verbal angegriffen worden. Simon hat den Eindruck, dass die Kandidierenden und Wahlkampfhelferinnen und -helfer zu "Fußabtretern" geworden seien.

Tätlicher Angriff auf AfD-Stand in Mainz

Von einem tätlichen Angriff berichtet auch die AfD in Mainz. Vor knapp zwei Wochen sei eine Person auf den Wahlkampfstand in der Mainzer Fußgängerzone zugestürmt, sagt Stephan Stritter, der stellvertretende Kreisvorsitzende der Partei. "Nachdem der Mann ein Schild umgestoßen hatte, hat er einem Sicherheitsmitarbeiter von uns die Brille vom Kopf geschlagen." Der Mann konnte laut Stritter schnell unter Kontrolle gebracht werden. Dabei habe sich der AfD-Kandidat Jürgen Wiedenhöfer an der Schulter verletzt.

Ortsvorsteher-Kandidat in Mainz-Lerchenberg: Tote Krähen gefunden

Im Mainzer Stadtteil Lerchenberg hat Ortsvorsteherkandidat Alper Kömür (SPD) vor fast zwei Wochen nach Hass-Mails und -Kommentaren zwei tote Krähen in seinem Garten entdeckt. "Genau da, wo sonst meine Kinder spielen, hat jemand die beiden toten Krähen über meinen Zaun geworfen", vermutet Kömür im Gespräch mit dem SWR. Er habe jetzt eine Video-Kamera in seinem Garten installiert.

Das ist der Punkt, wo aus Worten Taten werden. Und das geht nicht.

Im Garten des SPD-Ortsvorsteherkandidaten Alper Kömür liegt eine tote Krähe
Der SPD-Ortsvorsteherkandidat Alper Kömür im Mainzer Stadtteil Lerchenberg hat zwei junge tote Krähen in seinem Garten gefunden.

Nach einem ersten Schock-Moment sei ihm direkt klar gewesen, dass er sich weiter engagieren müsse. Denn Demokraten dürften sich nicht einschüchtern lassen. "Die Anständigen müssen immer mutiger sein als die Unanständigen", findet Kömür.

Kandidat der Grünen hatte Todesdrohung im privaten Briefkasten

Die Grünen in Mainz haben ebenfalls beobachtet, dass die Anfeindungen in diesem Wahlkampf zunehmen. Laut Christin Sauer, Kreisvorsitzende der Partei, hatte ein Kandidat zuletzt sogar eine Todesdrohung im Briefkasten.

Die Partei habe daneben mehrere Vandalismus-Fälle an Wahlplakaten und stärkeren Hass in den sozialen Medien beobachtet. "Zahlenmäßig ist es bisschen mehr als in den früheren Wahlkämpfen, aber es kommt viel klarer aus der rechten Ecke", so Sauer. Oft würden Hakenkreuze, SS-Zeichen oder Zahlenkombinationen verwendet werden, die Adolf Hitler verherrlichen. Manchmal gebe es auch einen AfD-Bezug.

Besonders viel bekommen Menschen aus der queeren Community oder mit Migrationsgeschichte ab.

Aus der CDU und der FDP in Mainz ist dagegen zu hören, dass ihnen nicht bekannt sei, dass die Anfeindungen gegen Kandidierende ihrer Partei zugenommen hätten.

Ton an Wahlkampfständen wird rauer

Neben SPD-Politiker Simon im Kreis Bad Kreuznach beobachten auch die Grünen im Kreis Mainz-Bingen, dass der Ton an den Wahlkampfständen rauer geworden sei. Bei einem Stand in Ingelheim habe ein Mann den Menschen am Stand offen Gewalt angedroht. Die Partei habe Anzeige erstattet.

Die Linke berichtet, dass nach einem Vorfall vor knapp zwei Wochen in Alzey auch Anzeige erstattet worden sei. Der Kreisvorsitzende Kemal Gülcehre erzählt, seine Partei habe auf dem Rossmarkt einen Stand in der Nähe eines Wahlkampfstandes der AfD gehabt. Als ein Transporter zum Ausladen auf den Platz gekommen sei, habe eine Person am Stand der AfD sinngemäß gesagt, man solle die Menschen am Stand der Linken über den Haufen fahren.

AfD: Jeder Infostand in Mainz wurde gestört und angegriffen

Neben dem tätlichen Angriff in Mainz vor knapp zwei Wochen berichtet die AfD davon, dass jeder ihrer bisherigen Stände in der Mainzer Innenstadt gestört oder angegriffen worden sei. Zuletzt habe es am vergangenen Samstag einen "Farbanschlag" an einem Wahlkampfstand auf dem Neubrunnenplatz gegeben. Dabei seien sowohl die Personen am Stand als auch der Stand selbst getroffen worden. Die AfD Mainz-Bingen berichtet außerdem davon, dass Menschen an ihren Wahlkampfständen in Ingelheim und Bingen angegangen wurden.

Wahlplakat in Nieder-Olm wohl rassistisch beschmiert

In Nieder-Olm (Kreis Mainz-Bingen) war zuletzt ein Wahlplakat der SPD-Kandidatin Elif Bilen, die ein Kopftuch trägt, rassistisch beschmiert worden. Während der SPD-Kandidat Helmut Schmitt neben ihr nicht bemalt wurde, ist ihr Gesicht durchgestrichen und mit dem Wort "Stop!" kommentiert worden.

Auf einem Wahlplakat der SPD in Nieder-Olm ist das Gesicht der Kandidatin Elif Bilen mit einem schwarzen Stift durchkreuzt worden. Außerdem steht "Stop!" auf dem Plakat. Elif Bilen trägt ein Kopftuch.
Auf einem Wahlplakat der SPD in Nieder-Olm ist das Gesicht der Kandidatin Elif Bilen mit einem schwarzen Stift durchkreuzt worden.

Elif Bilen sagt, dass sie auf so etwas vorbereitet gewesen sei. Sie beobachtet, dass Diskriminierung und Rassismus in der Gesellschaft zunehmen. Als Kommunalpolitikerin habe sie so etwas aber noch nie erlebt.

Ihre Partei postete das Plakat auf Facebook und schrieb, dass man solche Schmierereien nicht hinnehmen wolle. "Sowas hat keinen Platz in unserer Heimat. Wir brauchen dafür die Unterstützung der Gesellschaft. Lasst Hass, Rassismus und Intoleranz nicht einziehen."

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