Für viele Menschen ist die Notrufnummer 112 die Nummer, unter der sie medizinische Hilfe bekommen. Aber: Immer häufiger wählten Menschen diese Nummer, obwohl gar kein Notfall vorliegt, kritisiert Peter Eymann, der Brand- und Katastrophenschutzinspekteur der Stadt Speyer. Trotzdem müsse dann ein Rettungswagen losgeschickt werden. Und der sei dann für einen "echten" Notfall erstmal blockiert. Für viele Beschwerden sei eigentlich der hausärztliche Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116 117 der richtige Ansprechpartner.
Peter Eymann ist im vergangenen Jahr selbst dreimal ausgerückt, um Menschen medizinisch zu helfen als der Rettungsdienst nicht rechtzeitig da sein konnte. Denn, so sagt er, alle Feuerwehrbeamten seien auch als Rettungssanitäter ausgebildet. Mittlerweile häuften sich aber die Fälle, in denen seine Leute einspringen müssten. Der Rettungsdienst funktioniert so zwar nach außen. Eymann schlägt trotzdem Alarm: "Noch sind es Einzelfälle. Wir müssen aber jetzt anfangen darüber zu sprechen. Damit aus Einzelfällen keine Gewohnheit wird. Wir dürfen nicht warten bis sich die Bevölkerung fragt: Wie schnell ist denn der Rettungsdienst da, wenn ich ihn ganz dringend brauche?"
Die Rahmenbedingungen müssen sich ändern
Der Rettungsdienst in Speyer verfügt 24 Stunden am Tag über zwei Rettungswagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug. Zusätzlich gibt es tagsüber noch vier Krankentransportwagen. Personal für diese Fahrzeuge gibt es zwar, aber nicht immer in ausreichender Zahl. Deswegen könnten Rettungswagen immer häufiger nicht ausrücken. Schuld an der Misere seien die Rahmenbedingungen, sagt Peter Eymann. Und die müssen sich ändern. "Darüber wollen wir mit den zuständigen Behörden der Kreisverwaltung Rhein-Pfalz-Kreis und dem Land reden. Damit Menschen wieder Spaß haben, im Rettungsdienst zu arbeiten." Das Problem, dass es im Rettungsdienst zu wenig Personal gibt, sei im übrigen kein regionales Problem, sondern ein deutschandweites.
Beruf Notfallsanitäter muss wieder attraktiver werden
Notfallsanitäter ist ein dreijähriger Ausbildungsberuf. Und es ist ein echter Knochenjob, sagt Peter Eymann, in dem man immer wieder auch Menschen über mehrere Stockwerke nach unten tragen muss. "Das bis 65 zu machen, ist unrealistisch." Der Beruf müsse wieder attraktiver werden, um den Personalmangel beheben zu können. "Deswegen muss mit 60 Jahren Schluss sein im Rettungsdienst", fordert Peter Eymann. Und die Wochenarbeitszeit müsse runter, von 48 Stunden auf höchstens 40. Es dürfe nicht sein, dass man ständig einrücken müsse, weil ein anderer ausfalle: "Die Work-Life-Balance muss stimmen".
Diskutiert werden müsse deshalb auch über die Besetzung der Integrierten Leitstellen, findet Peter Eymann. Aktuell seien dort hochspezialisierte Notfallsanitäter im Einsatz. Mit Hilfe eines Computerprogramms stellen sie vorgegebene Fragen und entscheiden innerhalb von 90 Sekunden, wer ausrücken muss, um zu helfen. "Das wäre aber eine Aufgabe für ein neues Berufsbild Leitstellendisponent", sagt Eymann. "Die Notfallsanitäter, die wir dringend auf der Straße brauchen, würden so frei werden. Und wir könnten sie wieder auf die Rettungswagen setzen und hätten dann einen größeren Personalpool".
Die Politik ist gefragt
Eymann kann nur Vorschläge machen, Ideen entwickeln. Die Weichen müssen auf anderer Ebene gestellt werden. Bei den zuständigen Behörden, aber auch in der Politik. Er habe nur "Alarmglocken läuten" wollen, sagt er. Und hoffe jetzt, dass es zu einem Dialog miteinander kommt.
Eine erste Reaktion kam direkt. Von der zuständigen Rettungsdienstbehörde, der Kreisverwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises: Die Stadt Speyer sei rettungsdienstlich nicht unterversorgt. In 95,71 Prozent der Fälle sei die Hilfe innerhalb der vorgegebenen Zeit gekommen. Das umfasse über 2.800 Einsätze in den letzten zwölf Monaten in Speyer. Es sei deshalb "nicht zielführend, einzelne Ereignisse zum Anlass zu nehmen, die grundsätzliche Struktur des Rettungsdienstes medienwirksam in Frage zu stellen".