Urteil gegen mutmaßlichen Messerstecher von Speyer

Verurteilt wegen versuchten Mordes und Totschlags

Revision im Urteil gegen Messerstecher von Speyer eingelegt

Stand

Im Verfahren um die Messerangriffe auf eine 16-Jährige und deren Mutter vor dem Landgericht Frankenthal hat die Verteidigung nur zwei Tage nach der Urteilsverkündung Revision eingelegt.

Auch die Staatsanwaltschaft Frankenthal teilte auf SWR-Anfrage mit, dass sie noch diese Woche Revision einlegen wird. Die Frankenthaler Richter hatten den 29-jährigen Angeklagten aus Afghanistan am Montag wegen versuchten Mordes an der Jugendlichen und versuchten Totschlags der Mutter zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Strittig sei unter anderem die Frage, warum der Verurteilte aufgehört hatte, auf die Mutter der 16-Jährigen einzustechen, so die Auffassung des Verteidigers. Außerdem betrachtet er seinen Mandanten als vermindert schuldfähig - im Gegensatz zum Staatsanwalt, der in seinem Plädoyer betont hatte, der Angeklagte sei voll schuldfähig. Dabei berief er sich auf ein psychologisches Gutachten.

Am vergangenen Montag Urteilsverkündung in Frankenthal

Der Mann hatte im Oktober vergangenen Jahres die 16-Jährige und deren Mutter mit Messerstichen schwer verletzt. Bei den Plädoyers vor dem Landgericht Frankenthal war die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Der Staatsanwalt und die Anwältin der Nebenklage hatten die zwölfjährige Haftstrafe wegen zweifachen versuchten Mordes an Tochter und Mutter in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gefordert. Der Verteidiger des Mannes hatte hingegen auf versuchten Totschlag plädiert, ohne ein Strafmaß zu nennen.

Die Vorsitzende Richterin am Landgericht Frankenthal folgte in ihrem Urteil nicht ganz den Forderungen des Staatsanwaltes und der Nebenklage. So sah sie es zwar als erwiesen an, dass der 29-Jährige Mann seine jugendliche Bekannte in deren Wohnung in Speyer ermorden wollte, als er sie mit einem Messer angriff und auf sie einstach. Bei der Mutter sprach die Richterin aber nur von versuchtem Totschlag. Die Mutter sei nicht arglos gewesen, als der Mann sie angriff.

Gericht: Aus Eifersucht, Wut und gekränkter Ehre zugestochen

Vielmehr sei die Mutter dazwischen gegangen, weil sie ihrer Tochter zu Hilfe eilen wollte, und sei damit zur Zielscheibe der Angriffe geworden. Der Verurteilte habe zwar 13 Mal auf die Mutter eingestochen, dann aber aufgehört, weil er ein Geräusch gehört habe und letztendlich fliehen wollte, so die Vorsitzende Richterin.

Auch dass der Mann aus niedrigen Beweggründen - als ein weiteres Mordmotiv - auf die Jugendliche eingestochen hatte, sah das Gericht nicht als erwiesen an - anders als der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Der Verurteilte habe vielmehr aus Gefühlen wie Eifersucht, Wut, Enttäuschung und aus gekränkter Ehre gehandelt und das sei nachvollziehbar - so die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung.

Strafmildernd: "Flatterhaftes Verhalten" bei Jugendlicher

Als strafmildernd wertete das Gericht, dass die Beziehung des Täters zu 16-Jährigen äußerst problematisch gewesen sei. Sie habe dabei ein "flatterhaftes Verhalten" an den Tag gelegt. So habe sie zwar vereinzelt körperliche Nähe zugelassen, ihm aber klar gesagt, keine sexuelle Beziehung mit ihm zu wollen. Die Jugendliche hatte einen überlegenen Part in der Beziehung, so die Vorsitzende Richterin. Der Angeklagte habe ihr Drogen finanziert, Geld geliehen und Geschenke gemacht - aber sie habe ihn immer wieder zurückgewiesen.

Beide Frauen leiden laut Anwältin der Nebenklage bis heute unter den psychischen Folgen des Messerangriffs. Die Mutter habe zudem einen bleibenden Schaden an der Hand davongetragen.

So war der Prozess

Am 1. August hatte sich der Angeklagte erstmals seit Prozessbeginn Mitte Mai zur Tat geäußert. Der Verteidiger verlas eine Erklärung des Angeklagten, in der es hieß: "Es tut mir sehr, sehr leid, dass ich die beiden verletzt habe. Das ist mir alles unbegreiflich. Ich bereue alles, was ich zu verantworten habe sehr." Der Angeklagte wisse nicht mehr viel vom Tatgeschehen. Er erklärte die Tat mit seinem Konsum von Alkohol und Drogen. Dem widersprach der psychiatrische Gutachter. Weder seien im Körper des Angeklagten nach der Tat Alkohol oder Drogen nachgewiesen worden, noch gebe es einen plausiblen Grund für einen Gedächtnisverlust.

Laut Anklage hatte der Mann aus Afghanistan am Tattag, dem 21. Oktober 2022, seine 16-jährige Bekannte und deren Mutter zuhause in Speyer besucht. Der Mann hatte laut Staatsanwaltschaft davon geträumt, mit der jungen Frau eine Familie zu gründen. Doch das sei für die 16-Jährige nicht in Frage gekommen. Sie sei an einer intimen Beziehung nicht interessiert gewesen. Sie habe Sex mit anderen Männern gehabt, davon Videos aufgenommen und diese dem Afghanen gezeigt, berichtete der leitende Kriminalbeamte im Prozess. Die Staatsanwaltschaft vermutete deshalb Eifersucht als Tatmotiv.

Gutachter geht nicht von Tat im Affekt aus

Der Gutachter sagte im Prozess, dass die Äußerungen vor und während der Tat nicht auf eine Affekthandlung schließen ließen. Laut Anklage hatte der Mann zu der Mutter gesagt, ihre Familie solle sterben. Der Angeklagte neige zu Impulsivität, so der Gutachter. Die Tat sei geplant gewesen, wenn auch kurzfristig. Als mögliches Motiv sieht er Eifersucht, Kränkung und Rache.

Der angebliche Gedächtnisverlust sei deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Angeklagte sich noch genau an den Vorabend erinnern kann. Während der Aussage schaute der Angeklagte den Gutachter immer wieder an. Er wirkte dabei gefasst und aufmerksam.

Nach Messerattacke: Schwere Komplikationen bei Tochter und Mutter

Eine Rechtsmedizinerin hatte in dem Prozess die Verletzungen der beiden Frauen als lebensgefährlich bezeichnet. Nach ihren Angaben stach der 29-Jährige drei Mal auf die Jugendliche ein. Ihre Mutter habe sogar zwölf Stichverletzungen erlitten. Laut Rechtsmedizinerin wurde bei beiden Opfern jeweils ein Lungenflügel stark verletzt, so dass diese bei beiden Opfern am nächsten Tag im Krankenhaus zusammenfielen. Die Ärzte mussten demnach um das Leben der Patientinnen kämpfen.

Angeklagter und Opfer sollen Drogen genommen haben

Ein Kriminalbeamter des Polizeipräsidiums Rheinpfalz in Ludwigshafen sagte vor Gericht, die 16-Jährige aus Speyer und der in Römerberg-Berghausen (Rhein-Pfalz-Kreis) in einer Asylunterkunft lebende Mann aus Afghanistan hätten sich ungefähr seit einem Jahr gekannt. Beide hätten regelmäßig gemeinsam Drogen genommen. Da die junge Frau kein Taschengeld bekam, habe der Afghane stets Marihuana und Ecstasy besorgen müssen.

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SWR