Der 28. Juli 1948 war ein heißer Sommertag. Und an diesem Mittwoch im Juli starben 207 Menschen - rund 3.800 wurden bei dem verheerenden Explosionsunglück auf dem Gelände der BASF verletzt - viele davon schwer. Gerd Hasslinger aus Frankenthal wollte an diesem Tag eigentlich mit seiner damaligen Freundin schwimmen gehen. In einer SWR-Fernsehdoku aus dem Jahr 2021 berichtete er, was dann geschieht - um genau 15:43: "Das war ein dumpfer Knall und dann in Richtung BASF diese aufsteigende Rauchwolke – und da wusste man, da muss schon was Enormes passiert sein.“
Eindrücke der BASF-Explosionen von 1943 und 1948
Kesselwagen mit Vorprodukt zur Farbherstellung explodierte
Ein Kesselwagen mit DME, einem Vorprodukt für die Farbherstellung flog damals in die Luft. Stefan Mörz, Leiter des Stadtarchives in Ludwigshafen sagt, dass die Explosion bis Stuttgart zu spüren war – als eine Art kleines Erdbeben. Und es spielten sich viele dramatische Szenen ab – wie die eines kleinen Jungen, der in einem Weiher baden war - als es Trümmer vom Himmel regnete. Stadtarchivar Dr. Mörz berichtet, der Junge sei dann barfüßig mit der Badehose bis vors Werk gerannt und habe seinen Bruder gesucht, der dort arbeitete. Den Bruder habe man dann vier Tage später halb verbrannt gefunden. "Das war eigentlich eines der typischen Kennzeichen. Die Leute sind fürchterlich entstellt worden und oft wirklich zum großen Teil verbrannt", sagt Stefan Mörz.
Verkettung unglücklicher Umstände führte zur Explosion
Ursache des Unglücks war wohl eine "Verkettung unglücklicher Umstände", sagt Susan Becker, Unternehmenshistorikerin bei der BASF in Ludwigshafen: "Dass nämlich zum einen das Behältervolumen dieses Kesselwagens niedriger war als auf dem amtlichen Kesselschild ausgewiesen, sodass deswegen de facto dann eine Überfüllung vorlag.“ Sprich: Der Kesselwagen war zu voll - und explodierte. Wohl auch, weil er stundenlang in der prallen Sonne stand. Stefan Mörz, Leiter des Stadtarchivs sagt zur Ursache: "Der springende Punkt war: Das Zeug hat sich ausgedehnt in der Hitze, und die Schweißnähte an diesem Kesselwagen waren schlecht gemacht und haben eben nachgegeben."
29. Juli 1943: 64 Tote nach Explosion eines Kesselwagens
Dabei hätte es die BASF zu diesem Zeitpunkt schon schlauer sein können. Denn fast genau fünf Jahre vor dem Unglück von 1948 war im Juli 1943 schon einmal ein Kesselwagen explodiert: 64 Menschen starben dabei - mehr als 500 wurden verletzt. Der Kesselwagen war zwar mit einem anderen chemischen Stoff gefüllt, mit Butadien, einem Vorprodukt zur Herstellung von synthetischem Kautschuk, aber der Unfall war vom Ablauf her ähnlich. BASF-Historikerin Susan Becker bestätigt: "Also wir wissen mit Sicherheit, dass die primäre Ursache für die Explosion von 1943 eine Überfüllung des fraglich Kesselwagens war - das ist schon damals auch festgestellt worden."
Aber warum hat die BASF nichts daraus gelernt? Stadtarchivar Mörz hat eine Antwort: "Erstens wurde dieses Unglück ja komplett von der nationalsozialistischen Regierung mit einem Berichtsverbot belegt. Und zweitens einen Monat nach diesem Unglück setzten die großen Luftangriffe ein. Das heißt, der Fokus aller derer, die nicht unmittelbar betroffen waren, rutschte dann natürlich auf die Gefahr vom Himmel und da war dann das Unglück weg."
Gedenken an beide Unglücke
BASF und die Stadt Ludwigshafen gedenken am 28. Juli 2023 gemeinsam den Opfern der beiden schweren Explosionsunglücke von 1943 und 1948. Geplant sind zwei Gedenkfeiern - um 11 Uhr auf dem Hauptfriedhof in Ludwigshafen und um 11.30 Uhr auf dem Friedhof in Friesenheim. Wer teilnehmen will, muss sich nicht vorher anmelden.