Vorlesungen im Home-Office - wie beim Corona-Lockdown

Studierende in Koblenz wehren sich gegen digitalen Unterricht

Stand
Autor/in
Bruno Nonninger

Die Hochschule Koblenz geht von Anfang Dezember bis Anfang Januar in den digitalen Vorlesungsbetrieb. Das teilte eine Sprecherin dem SWR mit. Dagegen haben Studierende am Mittwoch demonstriert.

Die Vorgaben von Bund und Ländern, Energie einzusparen, wirken sich auch auf Lehre und Forschung aus. Denn auch Universitäten und Hochschulen im nördlichen Rheinland-Pfalz sind davon betroffen.

Hochschule Koblenz: Ab Dezember fünf Wochen lang kein Präsenzbetrieb

Alle Vorlesungen finden deshalb vom 4. Dezember 2022 bis zum 9. Januar 2023 digital statt. Dadurch sollen, wie vom Land vorgegeben, 15 Prozent der Energiekosten eingespart werden. Mitarbeitende können den Angaben zufolge im Home-Office arbeiten. Auch werden den Angaben zufolge in dieser Zeit nur wesentliche Bereiche der Hochschule geheizt.

Studierende wehren sich gegen "Zwangspause"

Gegen diese von den Studierenden als "Zwangspause" empfundene Maßnahmen haben diese nun an der Hochschule in Koblenz, Remagen und Höhr-Grenzhausen demonstriert. Auf dem Campus in Koblenz waren am Mittag rund 200 Studierende zusammengekommen, um gegenüber dem Präsidenten, Prof. Dr. Karl Stoffel, ihren Unmut über den erneuten digitalen Lehrbetrieb auszudrücken.

Größte Kritikpunkte der Demonstrierenden sind, dass ihr Studium darunter leide und die Kosten auf sie abgewälzt würden. Da in dieser Zeit zum Beispiel der Laborbetrieb ruhe und auch die Bibliothek geschlossen sei und nur einen Ausleihservice anbiete, könnten Lernen, Praktika und Abschlussarbeiten nicht wie gewohnt stattfinden.

Hochschulpräsident verteidigt digitalen Lehrbetrieb

Der Präsident der Hochschule verteidigt gegenüber den Studierenden die Maßnahme als unumgänglich. Im Präsenzbetrieb sei die Energieeinsparung nicht zu realisieren. Er sei selbst nicht begeistert davon, müsse die Vorgabe des Landes aber umsetzen. Grundsätzlich stehe er aber zur Präsenzlehre.

Studierenden hätten über die Maßnahmen gerne mitentschieden

Die Studierenden sehen sich in der Entscheidung und Vorgabe jedoch nicht mitgenommen. Statt sie im Vorfeld einzubeziehen und gemeinsam zu überlegen, welche Maßnahmen sinnvoll seien, sei ihnen die Vorgabe und Entscheidung lediglich von oben herab mitgeteilt worden. Das hätten sie sich anders gewünscht.

Energiekosten bleiben an Studierenden hängen

Sie sehen durch den digitalen Vorlesungsbetrieb von Anfang Dezember bis Anfang Januar lediglich eine Umverteilung des Energieverbrauchs und der Kosten. Diese würden nun auf sie abgewälzt. Denn die Studierenden würden nun zu Hause mehr Energie verbrauchen und hätten Mehrkosten für Heizung, Kochen, Licht oder den Computerbetrieb. In Zeiten an der Uni sei das nicht der Fall. Auch würden Praktika und Lerngruppen unter der Zwangspause leiden und Vorbereitung für Klausuren und Abschlussarbeiten erschwert.

Plakat mit der Aufschrift "Wir sagen NEIN zur Schließung der Hochschule Koblenz!"
Rund 200 studierende demonstrierten auf dem Campus der Hochschule in Koblenz gegen die "Zwangspause" im Präsenz-Lehrbetrieb

Mensa der Hochschule schließt - aber Uni-Mensa für alle offen

Während der digitalen Phase schließt nach Angaben der Hochschule und des Studierendenwerks auch die Mensa. Es gebe aber eine Grundversorgung an der sogenannten "Kaffeeinsel" am Standort Karthause. Auch die Cafeteria in Remagen sei in dieser Zeit geöffnet.

Der Geschäftsführer des Studierendenwerks Koblenz, Jörg Denecke, verkündete auf Nachfrage der Studierenden aber auch eine gute Nachricht: So können Studierende der Hochschule Koblenz den Angaben zufolge zu den gewohnten Preisen auch an der Mensa der Uni in Koblenz-Metternich essen. Dies gelte zudem generell und unabhängig von der digitalen Phase.

Hochschule will Software-Nutzung auch Zuhause prüfen

Laut Stoffel will die Hochschule auch prüfen, ob Lizenzen für spezielle Software, die bisher nur in den Rechenzentren nutzbar ist, auch Zuhause gültig sein könnten. Nach Angaben von Studierenden sei dies notwendig, da sonst Labor- oder Abschlussarbeiten nicht rechtzeitig beendet oder abgeschlossen werden könnten. Das gelte zum Beispiel für den Fachbereich Bauwesen.

Studierende sehen Landesvorgabe als praxisfern

Viele Studierende hinterfragen jedoch grundsätzlich, weshalb die Hochschule nicht kritischer mit dem Land ins Gespräch gegangen sei. Statt die Landesvorgabe wie vorgegeben umzusetzen, hätten sie sie von der Hochschulleitung gewünscht, mit dem Land zu verhandeln und zu signalisieren, dass die Forderung nach 15% Energieeinsparung im Lehrbetrieb an einer praxisorientierten Hochschule nicht realisierbar sei.

Präsident Stoffel sagte, zu den Maßnahmen könne er sich nicht äußern. Rheinland-Pfalz habe im Gegensatz zu anderen Ländern nicht beschlossen, die Universitäten und Hochschulen von den Sparmaßnahmen auszunehmen. Letztlich seien aber alle Menschen betroffen, und jeder müsse nachdenken, wie er Energie einsparen könne.

Hochschule will zukünftige Energieeffizienz prüfen

Stoffel sagte weiter, er arbeite daran, dass die Gebäude der Hochschule für die Zukunft energieeffizienter würden. Derzeit sei dies nicht der Fall. Deshalb laufe nun mit einem externen Partner die Prüfung an, ob und wie man Solartechnologie auf die Dächer bringen und etwa Blockheizkraftwerke nutzen könne. So wolle man 30-40% Energie einsparen. Die Hochschule sei als Nutzerin der Gebäude aber hierin auch nur ein Teilnehmer. Am Ende müssten das Land und die externen Partner dies leisten und dann auch umsetzen. 

Ungleichbehandlung von Uni und Hochschule?

Viele Studierende hinterfragten auch, weshalb die Universität weiter in Präsenz lehre, die Hochschule aber nicht. Sie sehen in der Schließung in erster Linie eine Umverteilung der Sparmaßnahmen und Kosten vom Land und den Hochschulen hin zu den Studierenden und sind der Meinung, dass die Hochschule hier zu kurz komme. Denn auch die Uni müsse ja die Vorgaben zur Einsparung erfüllen.

Auch Universität Koblenz-Landau muss Energie sparen

Eine Sprecherin der Universität Koblenz-Landau teilte dem SWR mit, die bundesweite Vorgabe zur Temperaturabsenkung auf 19 Grad in öffentlichen Gebäuden gelte auch an der Uni. Deshalb werde die Heizung auf 19 Grad abgesenkt. Momentan seien an der Uni aber keine digitalen Vorlesungen und Seminare geplant. Jeder Einzelne sei angehalten, wann immer möglich, vor Ort Energie einzusparen.

Studierende leiden grundsätzlich unter digitaler Lehre

Nach Angaben der Studierendenvertretungen seien die Studierenden in den letzten Jahren von vielen Problemen, wie Lern-Schwierigkeiten und sozialer Isolation, betroffen gewesen, vor allem durch die Corona-Lockdowns. Viele litten noch immer darunter. Die psychischen Herausforderungen, die durch einen Onlinebetrieb entstehen könnten, seien nicht zu unterschätzen.

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Bruno Nonninger