Odelia Lazar fühlt sich persönlich bedroht. Sie ist Jüdin, in Israel geboren und hat auch noch Familie dort. Zwei ihrer Freunde sind seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel ermordet worden. Sie fühlt sich ohnmächtig, wenn sie die Bilder der Gewalttaten sieht, die von dem Krieg hier in Deutschland ankommen. Trotzdem sagt sie: "Das Erinnern an Vergangenes darf nicht im neuen Massaker untergehen."
Lazar ist Musik- und Hebräischlehrerin in Niederwallmenach. Seit Jahren spielt und singt sie bei Gedenkveranstaltungen zur Reichspogromnacht. Aber in diesem Jahr fühlt es sich anders an, sagt sie. "Jedes Jahr sagen die Bürgermeister und Stadträte: Nie wieder! Aber in diesem Jahr fühlt es sich an wie ein 'schon wieder'."
Die Situation erinnert sie an die Zeit des Nationalsozialismus. Lazars Großeltern wurden in Auschwitz ermordet. Heute hat sie vor allem Angst um ihre Familie: Ihre Tochter, die mit ihrem Kind in Mainz lebt und ihren Sohn, der mit seiner Familie im Moment in Florida ist.
Sie selbst wurde auch bereits auf einer Demo in Koblenz beschimpft, weil sie eine israelische Flagge in der Hand hatte. "Ich bin mit der Angst vor Palästina aufgewachsen. Aber ich habe die Palästinenser in Deutschland nie so radikal wahrgenommen, dass die gleich alle Juden ins Meer werfen wollen. Aber die Radikalisierung nimmt zu."
Terrorangriff der Hamas als Wendepunkt
Auch Avadislav Avadiev ist besorgt. Er ist Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde in Koblenz und des Landesverbands der jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz. Seine Kultusgemeinde in Koblenz hat für den kommenden Sonntag eine Gedenkveranstaltung geplant. Und in diesem Jahr sei das ein ganz anderes Gefühl als bisher. "Es gab ein 'vor' dem 7. Oktober – und ein 'danach'", so drückt er es aus.
Ein großes Problem seien die antisemitischen, antiisraelischen und antijüdischen Demonstrationen, so Avadiev. Das sorge dafür, dass sich viele Menschen hier in Deutschland nicht mehr sicher fühlen würden.
Pogromnacht Was war die Pogromnacht 1938?
Vom 9. auf den 10. November 1938 wurden jüdische Geschäfte, Häuser und Synagogen überfallen und zerstört.
Deutschland sei für viele Menschen in der Vergangenheit eine Zuflucht gewesen, sagt Avadiev. Im Moment müsse man sich aber die Frage stellen, ob das so der richtige Weg für die Integration sei. "Wichtig ist mir, dass man die muslimischen Bürger hier auf keinen Fall unter Generalverdacht stellen darf." Entscheidend sei dagegen, dass die demokratischen Werte allen vermittelt werden müssten, die in Deutschland leben wollen.
Der Vorsitzende betont, dass die Kontakte innerhalb von Rheinland-Pfalz zwischen den verschiedenen Gemeinden sehr gut seien. "Egal, ob jüdisch, christlich oder muslimisch - das sind sehr freundschaftliche Verhältnisse. Wir sprechen auch regelmäßig miteinander und halten in schweren Zeiten zusammen."
Viele Solidaritätsbekundungen von Politik und Gemeinden
Viele hätten dem Landesverband und den jüdischen Kultusgemeinden mit Blick auf die jüngsten Ereignisse auch ihre Solidarität bekundet. Und auch aus der Politik sei viel Solidarität gekommen. "Das schätzen wir sehr, das stärkt uns den Rücken für das jüdische Leben in Deutschland", so Avadiev.