Er war fast neun Jahre an der Spitze der Koblenzer Behörde und insgesamt 36 Jahre im Justizdienst des Landes tätig. In seine Amtszeit fallen neben zahlreichen Veränderungen der Behörde auch einige spektakuläre Fälle.
Auseinandersetzung über "Schmähgedicht" erlangte weltweite Aufmerksamkeit
Die Auseinandersetzung über das sogenannte "Schmähgedicht“ des Satirikers Böhmermann sorgte 2016 für weltweite Aufmerksamkeit. Dieser hatte ein Gedicht verfasst, das den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan zum Inhalt hatte. Erdoğan sah sich dadurch beleidigt und erstattete Strafanzeige gegen Böhmermann.
Die zuständige Staatsanwaltschaft Mainz leitete nach Prüfung schließlich ein Ermittlungsverfahren ein, das sie im Oktober 2016 aber einstellte. Demnach konnten keine strafbaren Handlungen nachgewiesen werden. Erdoğan legte bei der Staatsanwaltschaft Mainz und der übergeordneten Generalstaatsanwaltschaft Koblenz Beschwerde gegen die Einstellung ein. Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz prüfte unter Brauers Leitung den Fall und entschied schließlich ebenfalls auf Einstellung des Verfahrens. Brauer sagte im SWR-Gespräch, dieser Fall habe wohl bereits im Vorfeld weltweite Beachtung erlangt.
Als Folge der Verfahren beschloss der Deutsche Bundestag am 1. Juni 2017 einstimmig die Abschaffung des als sogenannter "Majestätsbeleidigungs-Paragraf" bekannten § 103 des Strafgesetzbuches. Diese trat am 1. Januar 2018 in Kraft.
![Generalstaatsanwalt Dr. Juergen Brauer und Justizminister Herbert Mertin (Foto: SWR) Generalstaatsanwalt Dr. Juergen Brauer und Justizminister Herbert Mertin](/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/1713261418595%2Cimg3284-crop-100~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Anklagen gegen Terroristen und Cyberkriminalität
Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz hat in den vergangenen 75 Jahren immer wieder mit großen Ermittlungskomplexen von sich Reden gemacht. In die Amtszeit des Generalstaatsanwalts Brauer fielen etwa die Verfahren gegen mutmaßliche Terroristen oder Tätigkeiten der Cyberkriminalität. So zum Beispiel im Zusammenhang mit dem sogenannten Cyberbunker in Traben-Trarbach, oder in Prozessen zu sogenannten "IS-Rückkehrern".
Zentrale Stellen in Koblenz unter Brauers Leitung eingerichtet
Diese Prozesse waren in Koblenz möglich, da unter Brauers Behördenleitung mehrere landesweite zentrale Stellen der Justiz in Koblenz angesiedelt wurden. So ging 2014 in Koblenz die Landesstelle Cybercrime an den Start, die für ganz Rheinland-Pfalz Aufgaben zur Bekämpfung der Computerkriminalität übernimmt. Nach Einschätzung Brauers wird diese Form der Kriminalität aufgrund der Möglichkeiten zu gewisser Anonymität im Internet und einem Agieren aus dem Ausland heraus und über Staatsgrenzen hinweg auch in Zukunft weiter zunehmen.
2017 wurde in Koblenz ferner die Landeszentralstelle zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus (ZeT_rlp) eingerichtet. Diese bündelt und vernetzt die Zusammenarbeit aller beteiligten Behörden im Zuge der Strafverfolgung terroristischer und extremistischer Straftaten in ganz Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Auch übernimmt sie Ermittlungsverfahren aus dem Bereich der Staatsschutzdelikte, die vom Generalbundesanwalt am Bundesgerichtshof abgegeben werden oder solche von besonderer Bedeutung.
Auch die Zentralstelle des Landes Rheinland-Pfalz zur Bekämpfung jugendgefährdender Inhalte ist in Koblenz beheimatet. Sie ist zuständig für die Bekämpfung jugendgefährdender und gewaltverherrlichender Medieninhalte. Durch das Internet und Darknet, wie in Fällen von Kinderpornograhie, sowie den damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Verbreitungskontrolle gewinnt auch diese Stelle nach Ansicht Brauers zunehmend an Bedeutung. Daneben gibt es noch die Zentrale IT-Stelle.
Rückblickend zu den Anfangszeiten seiner Tätigkeit sagt Brauer: "Früher gab es noch eine gewisse 'Ganovenehre', da gingen mutmaßliche Straftäter oft nicht so brutal und zerstörerisch vor wie heute. Das hat sich doch sehr verändert".
"Früher (...) gingen mutmaßliche Straftäter oft nicht so brutal und zerstörerisch vor."
Brauer wünscht sich weitere Aufarbeitung der NS-Zeit
Eine Sache ist Jürgen Brauer auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt besonders wichtig: Die Aufarbeitung der Justiz in der Zeit des Nationalsozialismus und unmittelbar danach. Deshalb hatte er bereits in seiner Zeit als Leitender Oberstaatsanwalt in Trier die Forschung zur Aufarbeitung der Geschichte der Gestapo in Trier angeregt. Seit 2012 existiert daher an der Universität Trier im Fachbereich Geschichte ein studentisches Forschungsprojekt dazu.
Brauer wünscht sich aber auch für die Bereiche der Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft Koblenz sowie für die gesamte Justiz in Rheinland-Pfalz eine Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Das sei noch nicht geschehen, aber für die heutigen Kolleginnen und Kollegen sehr wichtig, sagte er im Gespräch mit dem SWR:
"Damit man auch sehen kann, wie schnell es geht, dass eine Demokratie abrutscht in Unrecht, und dann kann jeder für sich entscheiden, inwieweit er in der Lage gewesen wäre, sich zu widersetzen."
In Sachen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit gebe es inzwischen Fortschritte. So habe das Justizministerium eine Arbeitsgruppe dazu eingerichtet. Leider müsse er selbst nun aus dieser Arbeitsgruppe ausscheiden. Er ist aber zuversichtlich, dass die Kolleginnen und Kollegen an dem Thema engagiert weiterarbeiten werden.
Dinge, die er nicht vermissen wird
In Erinnerung bleiben Jürgen Brauer aus seiner Amtszeit in Koblenz vor allem die Fälle, die im Zusammenhang mit den Zentralstellen in Koblenz bearbeitet wurden, wie etwa die Verfahren zum sogenannten Cyberbunker in Traben-Trarbach, zu den sogenannten IS-Rückkehrerinnen oder auch die Verfahren rund um das sogenannte "Schmähgedicht".
Etwas, das er im Ruhestand aber definitiv nicht vermissen werde, sei sein nahezu täglicher Weg zur Arbeit nach Koblenz aus seiner Heimat in Trier, so der baldige Ruheständler. Brauer, der die Strecke gewöhnlich mit der Bahn zurücklegt, meint schmunzelnd, die Bahn habe sich in den letzten Wochen vor seinem Dienstende nochmal "richtig ins Zeug gelegt". Der Spruch "Genießen Sie den Sommer in vollen Zügen" werde für ihn ab dem kommenden Jahr dann aber hoffentlich seine eigentliche Bedeutung zurückerlangen.