Die Staatsanwaltschaft wirft dem 45-Jährigen Mord vor. Laut Staatsanwaltschaft arbeitete der Mann als Pfleger bei einer ALS-Patientin zu Hause in Winningen. Im Oktober 2022 soll er während eines Nachtdienstes die 49-jährige Frau heimtückisch getötet haben. Sie starb nach einer 14-minütigen Beatmungspause. Den Angaben zufolge hat eine andere Pflegekraft die tote Frau gefunden.
Patientin starb an Zusammenspiel mehrerer Faktoren
Am dritten Prozesstag sollte eine Rechtsmedizinerin sagen, woran die Patientin gestorben ist. Das Fazit der Medizinerin: Die ALS-Patientin starb wohl an einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren: der krankheitsbedingten schlechten Sauerstoffversorgung, einer Lungenentzündung und der fehlenden Beatmung.
Ein Notarzt, der als erstes am Todestag gerufen worden war, war am Montagmittag ebenfalls als Zeuge geladen. Er sagte aus, dass er keine Anzeichen eines gewaltsamen Todes festgestellt habe. Ein toxikologisches Gutachten ergab, dass bei dem Angeklagten zwar Amphetamine, Cannabis und andere Spuren von Medikamenten im Blut nachgewiesen werden konnten. Es könne aber nicht mit Sicherheit gesagt werden, welche Wirkung sie hatten.
Frau konnte nicht mehr sprechen
Der Pfleger hatte Nachtdienst bei der ALS-Patientin, die nicht mehr sprechen und nur noch mit den Augen kommunizieren konnte. Obwohl die Frau nur sitzend gelagert werden durfte, habe der Angeklagte sie in flacher Rückenlage hingelegt, so die Anklage. Den Angaben zufolge hatte er die Frau alleine vom Rollstuhl ins Bett gehoben - ohne, wie zuvor angewiesen, eine zweite Pflegekraft zur Hilfe zu holen.
Außerdem habe er bei der Patientin 21 Mal den Schlauch vom Beatmungsgerät getrennt. Darüber hinaus hat er den Alarm auf stumm geschaltet. Das geht aus dem technischen Protokoll des Gerätes hervor. Der Angeklagte selbst sagte vor Gericht wörtlich, die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen. Das Beatmungsgerät habe er nur für pflegerische Maßnahmen abgetrennt, etwa um der Patientin etwas zu trinken zu geben.
ALS-Patientin benötigte rund um die Uhr sechs Pflegekräfte
Der 45-jährige Angeklagte ist Intensivpfleger und war von einer anderen Pflegerin, die sich bereits um die ALS-Patientin kümmerte, empfohlen worden. Insgesamt mussten für die Patientin sechs Pflegekräfte gefunden werden, die sie rund um die Uhr betreuen, wie ein befreundeter Arzt der ALS-Patientin vor Gericht sagte.
Der ursprüngliche Pflegedienst hatte den Angaben zufolge ein halbes Jahr zuvor gekündigt. Er habe den Aufwand nicht mehr leisten können, heißt es. So hätten dann der befreundete Arzt und der Bruder auf eigene Faust Pflegekräfte zusammengesucht und seien gerne auf Empfehlungen eingegangen. Daraus sei schließlich ein zusammengewürfelter Haufen an Pflegekräften entstanden, wie er selbst sagte.
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Krankenpflege unter Drogeneinfluss
Mittlerweile kam raus: Der Krankenpfleger war drogenabhängig und mehrfach vorbestraft. Immer wieder ist der 45-jährige Krankenpfleger im Gefängnis gewesen. Hauptsächlich wegen Drogendelikten. Bewährungshelfer bescheinigten ihm eine schlechte Prognose, da er immer wieder gegen Auflagen verstieß.
Der Pfleger hat seit 1998 in vielen verschiedenen Pflegeeinrichtungen und Seniorenheimen in der Region gearbeitet. Oft nur für kurze Zeit. Er sagte aus, dass er zeitweise in einer Obdachloseneinrichtung gewohnt habe. Sein Leben habe in eine Sporttasche gepasst, als er seine Arbeit im Haus der ALS-Patientin in Winningen aufnahm. Inzwischen wurde ihm die Berufserlaubnis entzogen.
Inzwischen hat auch ein Psychiater sein Gutachten vorgestellt. Er sollte klären, ob es möglich wäre, dass der Mann im Drogenrausch gehandelt hat. Er hält das für unwahrscheinlich. Der Pfleger müsse die Beatmung bewusst unterbrochen haben.
Angeklagter hatte Münzen von Patientin gestohlen
Zudem gab der Angeklagte bereits zu Beginn des Prozesses zu, Geld von der Patientin gestohlen zu haben. Wie hoch der Betrag war, wurde vor Gericht nicht gesagt. Es war lediglich von "Münzen" die Rede. Am 29. Oktober soll das Urteil in dem Prozess fallen.