Nach Einschätzung des renommierten Insektenforschers Martin Sorg zeigt das Beispiel des Naturschutzgebietes Hintere Dick in Boppard im Rhein-Hunsrück-Kreis, wie Artenschutz gelingen kann. Denn das Schutzgebiet weist den Angaben zufolge im deutschlandweiten Vergleich die vermutlich höchste aktuell bekannte Insektendiversität auf. Der Krefelder Wissenschaftler widmete sich in einer Studie den Gründen für den großen Artenreichtum. Am Dienstag stellte er gemeinsam mit Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) Details zu der Untersuchung vor.
Die hohe Insektendichte in dem Gebiet bei Boppard sorge dafür, dass dort auch seltene, insektenfressende Vögel heimisch seien, sagte Insektenforscher Sorg. So gebe es in Deutschland fast nirgendwo mehr Wendehälse, eine Art aus der Familie der Spechtvögel. Auch der seltene Mittelspecht oder der Neuntöter kämen dort vor, zuletzt waren an der Hinteren Dick elf Neuntöter-Paare gesichtet worden. Zu finden ist dort etwa auch der Sandlaufkäfer, der offene Flächen braucht, oder das Widderchen, eine Schmetterlingsart, die magere Wiesen benötigt.
Studie nennt Gründe für große Artenvielfalt in Boppard
Warum also tummeln sich ausgerechnet in der Hinteren Dick so viele anderswo seltene Insekten oder Vögel? Eine Ergebnis der Studie, die das Land mit 69.000 Euro gefördert hat: Das seit 1998 existierende Naturschutzgebiet bei Boppard mit seinem Bestand an Streuobstbäumen ist recht gut gegen den Eintrag von Stickstoffen und Pestiziden geschützt - dank einer Kessellage und dank der vergleichsweise großen Fläche, wie das Klimaschutzministerium in Mainz erklärte.
Darüber hinaus werden hier Flächen mit Rindern, Ziegen und Schafen beweidet. Die Beweidung verhindert eine allzu starke Verbuschung von Flächen. Damit haben Blühpflanzen bessere Chancen, auf die wiederum viele Insekten angewiesen sind. "Das Naturschutzgebiet Hintere Dick ist ein Vorzeigebeispiel dafür, wie Artenschutz gelingen kann", sagte Sorg. Es sei ein "echter Hotspot der Biodiversität".
Ministerin Eder: Artenvielfelt größte Herausforderung
Ministerin Eder sagte bei dem Besuch in dem Naturschutzgebiet, der Erhalt der Artenvielfalt sei neben dem Klimaschutz die größte Herausforderung. "Sind Arten ausgestorben, sind sie unwiederbringlich verschwunden - und damit auch ihre jetzige und künftige Funktion im Ökosystem." Fehle es an Bestäubung durch Insekten, wirke sich das auf Erntemengen aus. Es müsse alles daran gesetzt werden, die Artenvielfalt zu erhalten.
Dass dafür noch längst nicht genug getan wird, zeigen Studien immer wieder. Gerade wurde eine Studie aus Frankreich bekannt, wonach die Bestände von Vögeln in Europa von 1980 bis 2016 um rund ein Viertel zurückgegangen sind. Ursachen dafür sind demnach eine intensive Landwirtschaft, Verstädterung und der Temperaturanstieg.
Das Tier und Wir (9/10) Mammutaufgabe Artenschutz
Der Verlust an Artenvielfalt ist ähnlich bedrohlich wie der Klimawandel. Aber es gibt Lösungen: Schutzgebiete, Umstellungen in der Landwirtschaft und auch im eigenen Garten.
Pflege von Naturschutzgebieten ist wichtig, aber teuer
Untersuchungen des Forschungsprojekts DINA (Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen) unter der Leitung des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) zeigte kürzlich, dass das deutschlandweite Insektensterben selbst in Naturschutzgebieten weiter voranschreitet. Wegen des großen Verlusts an Insektenbiomasse fänden viele Brutvögel immer weniger Nahrung zur Aufzucht von Jungen, sagte Wiebke Pasligh vom Nabu Rheinland-Pfalz: "Insekten sind elementarer Bestandteil von enorm vielen Nahrungsketten."
Aus Sicht der Naturschützer lohnt es sich also, wie in der Hinteren Dick unter anderem Flächen durch Beweidung und Mahd offen zu halten. Ganz billig ist die Pflege eines solchen Gebiets aber nicht. Allein in dieses Areal floss nach Angaben des Klimaschutzministeriums in den vergangenen 30 Jahren rund eine Million Euro aus verschiedensten Fördertöpfen.