Momentan ist es in der Hunsrück Klinik üblich, dass zum Ende jeder Geburt ein Arzt hinzukommt, der die Entbindung überwacht. Ab 2025 bekommen nach Angaben der Klinik die Hebammen mehr Verantwortung: Dann sollen auch Geburten möglich sein, bei denen die Frauen nur von zwei Hebammen betreut werden. Die werdenden Mütter können dann selbst entscheiden, welche Variante ihnen lieber ist.
Hebammenkreißsaal setzt auf natürliche Geburten
Anika Jacot ist eine der siebzehn Hebammen, die in der Hunsrück Klinik in Simmern arbeiten. Sie sagt, der Hebammenkreißsaal ermögliche eine besonders natürliche Geburt: "Wir werden sehr viel Zeit haben, die Familien bei dem Geburtsprozess zu begleiten." Beispielsweise werde auf Eingriffe wie die Gabe von Medikamenten verzichtet. "Wir können einfach auf die natürlichen Prozesse vertrauen", meint Jacot.
Mit dem Hebammenkreißsaal will die Hunsrück Klinik eine 1-zu-1-Betreuung ermöglichen: Jede Schwangere wird unter der Geburt von einer Hebamme betreut. Zum Ende hin käme sogar noch eine zweite Hebamme hinzu, erklärt Anika Jacot: "Wir brauchen jemanden, der die Frau und ihre Bedürfnisse im Blick hat. Und gerade in den letzten Phasen brauchen wir auch jemanden, der all seine Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse des Kindes richten kann."
Gegenüber anderen Varianten der natürlichen Geburt sieht ihre Kollegin Annika Greis einen entscheidenden Vorteil: Dadurch, dass die Entbindungen im Klinikumfeld stattfinden, können die Hebammen bei einem Notfall jederzeit einen Arzt hinzurufen. Bei Hausgeburten sei das deutlich schwieriger, weil erst noch die Strecke zum Krankenhaus zurückgelegt werden müsse.
Hebammen frischen selten genutzte Ausbildungsinhalte neu auf
Das neue Konzept beinhaltet auch, dass die Hebammen ab dem kommenden Jahr Aufgaben übernehmen werden, die bislang von Ärzten erledigt wurden. Zum Beispiel die Versorgung von Geburtsverletzungen. Um sich darauf vorzubereiten, hätten sie kürzlich einen Auffrischungskurs im Nähen gemacht, erklärt Hebamme Annika Greis. Denn obwohl sie solche Fähigkeiten bereits in ihrer Ausbildung erlernt hätten, seien diese im Klinikalltag nur selten zur Anwendung gekommen.
Hebammenkreißsaal nicht in jedem Fall möglich
Nach Angaben der Klinik gibt es aber auch Ausnahmen, bei denen eine Geburt im Hebammenkreißsaal nicht möglich ist: Zum Beispiel, wenn die Mütter Vorerkrankungen haben oder Komplikationen zu erwarten sind. Solche Risikofaktoren können bereits bei den Beratungsgesprächen abgeklärt werden, zu denen Schwangere in der 24. und 36. Woche in die Hunsrück Klinik kommen.
Tele-Hebamme: Hunsrück Klinik bietet Wochenbettbetreuung über Video-Chat
Annika Greis übernimmt zur Zeit aber auch noch eine andere Funktion in der Hunsrück Klinik: Sie ist eine sogenannte Tele-Hebamme. Das heißt, sie berät frisch gebackene Mütter in einer Online-Sprechstunde per Telefon oder Video-Chat. Tatsächlich sei das eine Notlösung, weil derzeit etwa 30 Prozent der Frauen im Hunsrück keine Hebamme für die Nachsorge fänden, so Greis.
Sie sei aber selbst erstaunt, wie gut sie mithilfe von gezieltem Nachfragen und Anleiten unterstützen könne. Allerdings habe das Angebot auch Grenzen. Hier verweist Greis nach eigenen Angaben im Zweifel auf die ambulante Stillberatung in der Klinik oder einen Gynäkologen.
Hebammenzentrale ist bereits in Planung
Ein noch besseres Angebot ist aus Sicht der Hebammen aber eine sogenannte Hebammenzentrale, wie es sie beispielsweise auch in Daun gibt. Auf diese Weise könnten Hebammen im Hunsrück besser vernetzt und an werdende Mütter vermittelt werden, meinen Jacot und Greis. Darum sammeln die Simmerner Hebammen momentan Gelder, um das Projekt möglichst schon im kommenden Jahr umzusetzen. Ob die Kreuznacher Diakonie hierfür die Trägerschaft übernehmen wird, ist derzeit allerdings noch nicht klar.