So hat es die Partei "Die Linke" nur mit Hilfe dieser Klausel bei der Bundestagswahl 2021 in den Bundestag geschafft. Durch drei gewonnene Direktmandate in den Wahlkreisen konnte dann die Fraktion in den Bundestag einziehen. Das gibt der Erststimme politisches und demokratisches Gewicht. Ohne Grundmandatsklausel wäre die Linke an der 5-Prozent-Hürde gescheitert und somit gar nicht in den Bundestag eingezogen.
Wir haben mit dem Kaiserslauterer Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich von der Partei die Linke über die Wahlrechtreform gesprochen und darüber, was der Wegfall der Grundmandatsklausel für die Region und das Demokratieverständnis der Bürger bedeuten könnte.
Nach Bundestags Verkleinerung Kaiserslautern und Pirmasens nicht mehr vertreten?
SWR Aktuell: Bei der letzten Bundestagswahl sind sie auch über die Grundmandatsklausel in den Bundestag eingezogen. Was würde die Wahlrechtsreform für Sie persönlich bedeuten, wenn die Grundmandatsklausel gestrichen wird?
Alexander Ulrich: Persönlich habe ich, wenn man so will, davon profitiert, dass wir durch die Grundmandatsklausel 39 Abgeordnete in den Bundestag entsendet haben. Und damit war auch ich als Listenkandidat Nummer eins in Rheinland-Pfalz mit dabei. Wenn das Wahlrecht so beschlossen werden würde am Freitag, wie es jetzt auf dem Tisch liegt, dann wären wir als Linke nicht mehr im Bundestag. Wenn das Wahlergebnis genauso wäre wie letztes Mal.
SWR Aktuell: Das würde hauptsächlich die kleinen Parteien betreffen, auch die CSU befürchte, dass sie nicht mehr im Bundestag vertreten sein könnten. Aber was würde der Wegfall der Grundmandatsklausel für die Bürger, für die Wähler bedeuten? Was meinen Sie?
Alexander Ulrich: Wir haben in Deutschland eine gute Tradition mit den Zweitstimmen. Und diese Tradition beruht ja auch darauf, dass man zum einen sagt, mit der Zweitstimme werden die Parteien gewählt und damit die Landeslisten und mit der Erststimme wählt man einen Wahlkreiskandidaten. Und dadurch, dass in jedem Wahlkreis der Sieger auch im Bundestag vertreten ist, hat man damit auch eine Gewährleistung, dass alle Regionen in Deutschland im Deutschen Bundestag vertreten sind. Aus jedem Wahlkreis kommt mindestens ein Abgeordneter und damit ist der Bundestag eine Widerspiegelung der 16 Bundesländer und der Regionen. In Zukunft kann es sein, dass es aufgrund des neuen Wahlrechts aus einigen Regionen überhaupt keine Abgeordneten mehr gibt. Das kann nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sein, die in diesem Wahlkreis wohnen.
SWR Aktuell: Klar ist: Der Bundestag ist zu groß. Momentan hat der Bundestag noch 736 Abgeordnete. In der kommenden Legislaturperiode sollen es dann 630 Abgeordnete sein. Das ist die gesetzlich festgelegte Größe. Wie kann man das erreichen - was schlagen sie vor?
Alexander Ulrich: Unsere Alternative wäre gewesen, dass man die Zahl der Wahlkreise verkleinert. Das heißt, dass man die Flächen größer gemacht hätte. Und dadurch wären ja auch nicht mehr so viele Überhang- und Ausgleichsmandate entstanden. Dadurch wäre der Bundestag auch deutlich kleiner geworden. Diese Vorschläge lagen auf dem Tisch. Die gab es auch schon in der letzten Wahlperiode. Da hat aber insbesondere die CDU/CSU jegliche Reformen abgelehnt. Aber es gab Vorschläge, die wären besser gewesen, als das, was jetzt vorliegt.
SWR Aktuell: Am Freitag wird der Bundestag wohl über die Wahlrechtsreform abstimmen. Die Ampelkoalition wird wahrscheinlich geschlossen dafür stimmen. Was können sie dann noch dagegen machen?
Alexander Ulrich: Wenn das Gesetz am Freitag verabschiedet werden sollte, dann haben wir als Fraktion bereits entschieden, dass wir uns mit einem Verfassungsrechtler dies Gesetz noch einmal genau anschauen. Und dann möglicherweise auch Klage, also Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einreichen. Und wie ich höre, will die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ähnliches prüfen. Denn wir kommen jetzt auch in die komische Situation, dass ein Wahlkreiskandidat, obwohl er seinen Wahlkreis gewinnt, dann nicht in den Bundestag einzieht, wenn seine Partei die Fünf-Prozent-Hürde nicht erreicht. Aber ein parteiloser Kandidat, der möglicherweise einen Wahlkreis gewinnt, der wäre auf jeden Fall im Bundestag vertreten. Und vor dem Wahlgesetz müssen alle Bürger gleich sein. Da kann es keine Unterschiede geben, ob er Parteiloser ist oder Mitglied einer Partei ist. Ich bin gespannt, wie Karlsruhe diesen Fall bewertet.