Agbogbloshie - eine der größten Elektro-Müllhalden der Welt am Rande der ghanaischen Hauptstadt Accra. Während der beißende Geruch von verbrennendem Plastik in der Luft hängt, wühlen Menschen - darunter Kinder und Jugendliche - teils mit bloßen Händen in Schrotthaufen, auf der Suche nach wertvollen Kupferkabeln, Altmetall und anderem Wiederverwertbarem.
Waschmaschinen, Laptops, Smartphones - Elektrogeräte aller Art werden hier auseinandergebrochen, aufgeschraubt, verbrannt. Schädliche Stoffe verseuchen den Boden, giftige Dämpfe landen in der Atmosphäre und in den Lungen der Suchenden. Viele der illegal verschifften Geräte stammen aus Europa, nicht wenige aus deutschen Haushalten, die sie entsorgt haben.
Zwölf Kilo Elektroschrott pro Kopf in Deutschland
Das Smartphone geht nicht mehr an. Der Fernseher flimmert. Der Trockner trocknet nicht mehr. "Kaputt" würden viele sagen, schmeißen die Geräte weg oder tauschen sie gegen ein neues ein. Und das, obwohl viele von ihnen noch zu reparieren gewesen wären.
Noch immer ist Deutschland eine Wegwerfgesellschaft - das gilt auch für Elektrogeräte. Hierzulande landeten 2021 laut Statistischem Bundesamt mehr als eine Million Tonnen Elektrogeräte im Müll, pro Kopf waren das mehr als zwölf Kilo Elektroschrott. Das liegt über dem Schnitt in der Europäischen Union. Und das, obwohl Menschen in Deutschland das offenbar gar nicht wollen. Eine von der Verbraucherzentrale Deutschland in Auftrag gegebene Studie ergab, dass 60 Prozent der Deutschen ihre Geräte lieber reparieren lassen würden, als sie auszutauschen.
Das Problem: Reparieren ist häufig kompliziert, nach Ansicht der EU zu kompliziert. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, das zu ändern - und Elektroschrott zu reduzieren. Im April stimmte das EU-Parlament für das neue "Recht auf Reparatur". Die Richtlinie soll Reparaturen einfacher machen - und günstiger.
Hersteller in der Pflicht: Mehr Reparaturangebote, mehr Transparenz
Vor allem die Hersteller nimmt das Gesetz in die Pflicht: Hersteller, die bisher keine Reparaturen angeboten haben, müssen dies künftig tun, auch über die Garantie-Zeit hinaus - wie lange, das unterscheidet sich von Gerät zu Gerät.
Grundsätzlich müssen Geräte reparierbar sein - und zwar nicht nur durch die Unternehmen selbst. Auch unabhängige Werkstätten oder die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst sollen ohne Probleme Hand anlegen können. Dafür müssen Hersteller Angaben frei verfügbar machen darüber, wie man bestimmte Teile reparieren oder austauschen kann. Bisher waren solche Anleitungen häufig nicht oder nur schwer auffindbar.
EU-Richtlinie Ökodesign Ersatzteile für Elektrogeräte - das sollten Sie wissen
Die Waschmaschine geht gerne unerwartet kaputt. Wer selbst reparieren möchte und nach Ersatzteilen sucht, muss viel Geduld mitbringen. Das muss sich ändern, so Verbraucherschützer.
Teure und rare Ersatzteile sollen Geschichte sein
Ein weiterer Baustein: Ersatzteile sollen künftig besser verfügbar sein, einfacher zu montieren und günstiger. Akkus oder Displays von Handys waren zum Beispiel bislang so teuer, dass sich Nutzerinnen und Nutzer häufig lieber für ein neues Handy als die Reparatur entschieden.
Einen Zwang für Hersteller, Ersatzteile günstiger anzubieten, gibt es zwar nicht. Das neue EU-Gesetz soll aber Anreiz für Unternehmen sein, grundsätzlich nachhaltig umzudenken und sich auf eine tendenziell umweltbewusster werdende Kundschaft einzustellen.
Plattform soll Überblick geben: Wer kann was reparieren?
Das "Recht auf Reparatur" sieht weitere Maßnahmen vor. Es soll mehr Anlaufstationen geben, die sich mit der Reparatur von Smartphone, Trockner und Co. auskennen. Zudem soll es einfacher werden herauszufinden, wo bestimmte Geräte in der Nähe repariert werden können. Dafür soll es eine neue Übersichtsplattform online geben.
Vor allem Repair Cafés - in denen Ehrenamtliche Elektrogeräten neues Leben einhauchen - oder kleinere Werkstätten können davon profitieren. Die Ingelheimer Handwerker-Firma "Blitzblume" beispielsweise hat sich die Reparatur von Haushaltsgeräten schon viele Jahre lang zur Aufgabe gemacht. Das neue EU-Recht sieht Inhaber Heinrich Jung "sehr positiv". Vor allen Dingen, weil das Bewusstsein der Menschen durch das neue Gesetz geschärft werde. "Das ist dadurch jetzt ein Thema für die Leute, das versteht jetzt jeder."
Kritik: Recht auf Reparatur gilt nicht für alle Geräte
Noch greift das "Recht auf Reparatur" hierzulande nicht. Weil es sich dabei um eine EU-Richtlinie handelt, muss das Gesetz erst noch in deutsches Recht überführt werden. Dafür hat die Bundesregierung zwei Jahre lang Zeit.
Die Verbraucherzentralen fordern zudem, das Recht national nachzuschärfen. Ihr Hauptkritikpunkt: Das Gesetz umfasst viele Kleingeräte wie Kaffeemaschinen, Toaster oder Kopfhörer nicht.
Reparaturbonus wohl keine Option in Rheinland-Pfalz
Die Verbraucherschützer in Rheinland-Pfalz fordern zudem die Einführung eines Reparaturbonus. "Da können Menschen, die ein Gerät repariert haben, einen Antrag stellen und bekommen dann einen Zuschuss für ihre Reparatur", erklärt Ruth Preywisch von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Lediglich in Sachsen und Thüringen gibt es einen solchen Bonus bislang. Das rheinland-pfälzische Umweltministerium zieht diesen nur "als kurzfristige Maßnahme" in Betracht, verweist auf SWR-Anfrage auf die hohen Kosten für eine solche Förderung. Erwogen werde allerdings Repair Cafés finanziell zu unterstützen.
Verbraucherschützer: Recht auf Reparatur "guter erster Schritt"
Generell bewerten die Verbraucherschützer das "Recht auf Reparatur" aber als "guten ersten Schritt" - dahingehend, dass weniger Ersatzgeräte unnötig gekauft und alte noch funktionstüchtige Geräte entsorgt werden. So sollen nicht nur Umwelt und Klima geschont, sondern auch vermieden werden, dass Elektroschrott aus der EU in anderen Teilen der Welt landet und hier Schaden anrichtet - so wie auf der Riesen-Müllhalde von Agbogbloshie in Ghanas Haupstadt Accra.