Gefühlt ganz Deutschland hat das Video von Sylt mit rassistischen Parolen zum Song L'Amour toujours gesehen, geteilt, viele haben ihre Meinung dazu geäußert und klar gemacht: In Deutschland ist kein Platz für Rassismus. Sehr betroffen waren viele Menschen nun auch von einem anderen Video, das schnell in den sozialen Medien kursierte. Es zeigt, wie ein Mann auf dem Marktplatz in Mannheim bei einer Veranstaltung der radikalen islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) insgesamt sechs Männer mit Messerstichen verletzt hat. Eines der Opfer ist ein 29-jähriger Polizist, der später im Krankenhaus seinen Verletzungen erliegt.
Viele Debatten werden emotional geführt
Nachrichten wie diese bewegen, schockieren und lösen schnell emotionale Debatten aus, die sich gerade im Zeitalter digitaler Medien rasant ausbreiten. Aber auch nach Naturkatastrophen wie der Flut im Ahrtal werden Debatten etwa über eine mögliche politische Verantwortung in Medien oft emotional geführt - auch, weil Betroffene an die Öffentlichkeit gehen und Medien das immer wieder aufgreifen.
Demokratieforum: Zu viel Gefühl? Krisen im medialen Diskurs
Gibt es in politischen und gesellschaftlichen Debatten zu viel Gefühl? Wie viel Gefühl halten unsere Demokratie und der Diskurs aus? Und wie verantwortungsbewusst gehen Medienschaffende mit dem Faktor Gefühl um. Darüber diskutiert Moderator Michel Friedman beim nächsten Demokratieforum mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen und der "Welt"-Journalistin Anna Schneider am Dienstag, 11. Juni, auf dem Hambacher Schloss.
Negative Nachrichten beeinträchtigen die Psyche
Gerade in der jetzigen Zeit, in der wir täglich mit Krisenmeldungen konfrontiert werden, merken viele Menschen, wie ihr Medienkonsum ihre Gefühlswelt beeinflusst. So belegen Studien mittlerweile, dass ein Übermaß an negativen Schlagzeilen Gefühle der Ohnmacht und Hilflosigkeit auslösen kann. So hat etwa die Berichterstattung über Corona die psychische Gesundheit beeinträchtigt. Psychologen nennen das den "headline stress disorder" oder zu deutsch: Schlagzeilenstress-Störung.
Mehr als jeder Dritte in Deutschland meidet Nachrichten bewusst
In Deutschland wenden sich vielleicht auch deshalb immer mehr Menschen von den etablierten Medien ab und entscheiden bewusst, sich vor übermäßigem Stress zu schützen, indem sie gezielt auf Nachrichten verzichten. Mehr als jede dritte Person gibt so im Digital News Report des Reuters Institute an, dass sie "oft oder gelegentlich" ganz bewusst Nachrichten vermeiden.
Laut dem Leibniz-Institut für Medienforschung gehen viele Menschen vor allem bestimmten Themen und negativen Nachrichten wie etwa dem Ukraine-Krieg aus dem Weg. Dem "Digital News Report" zufolge wünschen sich mehr als die Hälfte der erwachsenen Internetnutzenden in Deutschland positive Nachrichten. Ähnlich hoch ist das Interesse an konstruktivem Journalismus: Nachrichten, die Lösungen vorschlagen, anstatt nur auf Probleme hinzuweisen, sowie an Nachrichten, die dabei helfen, komplexe Themen zu verstehen.
Das erwarten Journalisten und Bürger vom Journalismus:
Die Macht der Sprache beeinflusst Gedanken und Gefühle. Worte prägen Weltbilder und Verhalten. Journalisten sollten sich deshalb auch bewusst sein, wie ihre Wortwahl Emotionen bei den Lesern auslösen kann. Welche Erwartungen werden von unterschiedlichen Gruppen an den Journalismus gestellt? Diese Frage steht im Fokus der Studie "Journalismus und Demokratie" unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Steinbrecher an der TU Dortmund.
Die Langzeitstudie befragt Medienschaffende, Nutzerinnen und Nutzer sowie Politiker und Politikerinnen zu ihren Erwartungen an den und Kritik am Journalismus in Deutschland.