Der neue US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, den Staatsapparat umzustrukturieren und die Macht des Präsidenten auszuweiten. Weltweit - und auch in Europa - sind autoritäre Strukturen auf dem Vormarsch. "Woher kommt die Stärke dieser autokatischen Bewegungen?", fragte Moderator Michel Friedman am Mittwoch im Demokratieform Hambacher Schloss zum Thema: "Autokraten im Aufwind - Demokratie in Gefahr?"
Demokratieforum Hambacher Schloss Die gesamte Diskussion in der ARD Mediathek
Was treibt Menschen dazu, die Unfreiheit zu wählen? Und wie kann Europa demokratisch bleiben? Das ist Thema der nächsten Sendung des SWR Demokratieforums auf dem Hambacher Schloss. Über die Frage „Gegenwind für Autokraten? Wie Europa demokratisch bleiben kann.“, diskutiert Moderator Michel Friedman mit Irene Hahn-Fuhr vom Zentrum Liberale Moderne in Berlin, die viele Jahre für die Heinrich-Böll-Stiftung in Warschau tätig war, dem Schriftsteller und Weltbürger Ilija Trojanow, der 1971 mit seinen Eltern aus dem damals autokratischen Bulgarien geflohen ist und sich in seinen Romanen intensiv mit autokratischen Regimen auseinandersetzt sowie die Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die für die FDP im Europäischen Parlament sitzt und sich vor allem die Verteidigungs- und Außenpolitik fokussiert.
Eine der Ursachen sei, dass sich viele Menschen überfordert fühlten, sagte der Schriftsteller Ilija Trojanow. Das Leben beschleunige sich "in einem atemberaubenden Tempo". Die reaktionären Projekte "bieten eigentlich an, die Zeit anzuhalten" - und damit aus der Beschleunigung herauszutreten.
Damit bekämen solche Strömungen es besser organisiert, ein positives Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln, erklärte die Politologin Irene Hahn-Fuhr - so wie Donald Trump mit "Make America great again".
Trojanow: "Blindheit des ökonomischen Eigennutzes"
Eine große Überforderung sei auch der Krieg allgemein, sagte Moderator Friedman. Die Bundeswehr in Deutschland sei lange vernachlässigt worden - "war das Naivität, Dummheit oder Verdrängung?" Der Krieg sei nicht weg gewesen in der öffentlichen Wahrnehmung, betonte Trojanow. "Aber man diskutiert ja nicht über Krieg, wenn es eine friedliche Stabilität gibt."
Die Unverantwortlichkeit habe viel früher begonnen, erklärte der Schriftsteller. Es habe in Deutschland eine "Elitenblindheit gegenüber Russland" gegeben - und die sei eine Blindheit des ökonomischen Eigennutzes gewesen.
Der russische Präsident Wladimir Putin sei von Anfang an klar gewesen in seinen Positionen und seiner Aggressivität, betonte Trojanow. Aber man habe Deals mit Putin gemacht - trotz starker Warnungen auch der NATO-Partner.
Auch die Politologin Hahn-Fuhr sprach von einem "knallharten Interessenkalkül". Die Basis für das Industrie- und Wirtschaftsmodell in Deutschland sei das billige Gas aus Russland gewesen. "Und das konnte und wollte man nicht aufgeben", so die Geschäftsführerin des Zentrums Liberale Moderne in Berlin.
Strack-Zimmermann: "Müssen lernen, uns verteidigen zu wollen"
"2014 haben sich alle Parteien mit schuldig gemacht", sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die Vorsitzende des EU-Verteidigungsausschusses. Die Annektion der Krim durch Russland sei hingenommen worden. "Man wollte sich der Realität nicht stellen" - weil es unbequem gewesen wäre.
"Wenn wir jetzt nicht lernen, uns verteidigen zu wollen, dann ist das fatal", betonte Strack-Zimmermann mit Blick auf die Gegenwart. "Wir haben noch nie in einer so gefährlichen Zeit gelebt."