Sina Listmann, eine junge Journalistin und Kulturwissenschaftlerin aus der Pfalz ist eines der neuen Mitglieder im Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Sie sei bisher nie in irgendeiner Partei gewesen, sagt sie, obwohl sie Politik studiert habe. Die Content Marketing Managerin schreibt über Themen wie "Genuss, Lebensart, Nachhaltigkeit und Regionalität". Doch seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, findet sie keine Ruhe mehr.
"Ich muss manchmal das Radio ausmachen, weil ich mich so aufrege", erzählt sie bei einem Interview in Bad Kreuznach. Sina Listmann hat Angst, dass die Bundesregierung mit ihren Waffenlieferungen an die Ukraine Deutschland in den Krieg treibt. Deshalb ist sie nun Mitglied beim BSW.
Die ehemalige Linke und Parteigründerin Sahra Wagenknecht lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab und fordert Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Putin. Kritiker werfen ihr vor, sie sehe Putin zu unkritisch. Kriegsangst und soziale Ungerechtigkeit sind die beiden Hauptgründe, die BSW-Anhängerinnen und Anhänger nennen, wenn sie gefragt werden, warum sie für die Partei sind.
BSW besonders in der Pfalz beliebt
Besonders in der Pfalz hat die Partei von Sahra Wagenknecht anscheinend Erfolg. "Wir sehen in der Pfalz eine relativ große Zahl von Menschen, die eher unzufrieden sind, besonders in den Mittelstädten in der Pfalz", sagt der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun. Auch die Nähe zum Saarland könne dabei für das BSW ein Rolle spielen. Sahra Wagenknecht lebt dort und hat dort eine große Fan-Gemeinde.
Aber welche Konzepte und Lösungen bietet das BSW für die aktuellen Krisen? "Die Partei verbindet Umverteilung - sie nennen das selbst soziale Gerechtigkeit - mit eher konservativen, autoritären Werten in kulturellen Fragen wie Migration oder was gesellschaftliche Minoritäten und auch die Sicherheitspolitik betrifft", sagt Jun. Das spreche die Unzufriedenen an. Aber mit vier Seiten Parteiprogramm, wie es das BSW derzeit habe, und den vagen Absichtserklärungen werde die Partei den Problemen nicht gerecht, kritisiert er.
1.500 BSW-Unterstützer in Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz gibt es 50 BSW-Mitglieder. 1.500 Menschen haben sich als Unterstützer registrieren lassen, von denen auch etliche Mitglieder in der neugegründeten Partei werden wollen. Diese Zahl nennt Alexander Ulrich, früher das Gesicht der Linken in Rheinland-Pfalz, heute im Bundesvorstand des BSW und Landesbeauftragter für Rheinland-Pfalz. Denn einen BSW-Landesverband gibt es noch nicht. Der soll am 22. September gegründet werden.
Das Aufnahmeverfahren des BSW ist ungewöhnlich und hat schon für Kritik gesorgt, allerdings weniger in den eigenen Reihen. Während es bei anderen Partei genügt, einen Mitgliedsantrag zu stellen, werden BSW-Interessierte auf Herz und Nieren geprüft.
BSW will sich vor Unterwanderung schützen
"Wir wollen nicht die Fehler machen, wie es frühere oder andere Parteien gemacht haben, die schon nach der Parteigründung relativ schnell in ein Chaos verfallen sind. Oder wo es viele Streitereien gab", erklärt Ulrich. Die Anträge auf Mitgliedschaft werden vom Bundesvorstand geprüft. Wer AfD-Mitglied war, wird gleich aussortiert, ehemalige Parteimitglieder der Linken haben dagegen sehr gute Chancen aufgenommen zu werden. Die Interesssenten-Liste wird schließlich an Regionalgruppen weitergeleitet, die sich mit den Parteianwärterinnen und -anwärtern persönlich treffen und ausloten, ob die politische Haltung stimmt. Das letzte Wort hat aber der Bundesvorstand.
"Ich habe ja auch schon die WASG als einer der beiden Vorläufer der Linken mitgegründet", erzählt Ulrich. "Und damals haben wir genau diesen Fehler gemacht. Jeder der wollte, ist aufgenommen worden, und dann hat man da Menschen drin, die teilweise schon in jeder Partei waren, in jeder Partei für Unruhe gesorgt haben. Dann gibt es Leute, die teilweise sehr wirre Vorstellungen haben, Verschwörungstheorien hinterherlaufen. Und schließlich diejenigen, die eigentlich nur in eine Partei wollen, um möglicherweise ein Mandat zu erringen, also Glücksritter."
"Auswahlverfahren widerspricht Idee der Parteiendemokratie"
Der Trierer Politikwissenschaftler Jun sieht das Auswahlverfahren kritisch: "Es widerspricht den Ideen der Parteiendemokratie, die eine grundlegende Offenheit hat für Menschen in Parteien mitzuwirken." Beim Bundesverfassungsgericht und auch in der Politikwissenschaft gelte, eine Partei solle möglichst breit in der Gesellschaft verankert sein. "Und das versuche Sahra Wagenknecht derzeit eher zu begrenzen", meint Jun.
BSW konnte offenbar Politikverdrossene für sich gewinnen
Wer sind die neuen BSW-Mitglieder? Viele Linke sind ins BSW-Lager gewechselt, aber offenbar gibt es auch etliche Neue wie Sina Listmann, die vorher nie politisch aktiv waren. "Das sind von Uni-Professoren bis zur Erzieherin im Kindergarten, von ehemaligem Soldaten bis hin zu Ärzten und Gewerkschafter", sagt der BSW-Landesbeauftragte Alexander Ulrich. "Es ist die ganze Breite der Gesellschaft, die sich bei uns wiederfindet. Und das zeigt auch, dass man sich schwertut, das Bündnis Sahra Wagenknecht links, rechts oder wo auch immer einzuordnen. Wir repräsentieren auch durch unsere Unterstützer und Mitglieder die Breite der Gesellschaft."
Ziel des BSW ist es, 2026 bei der nächsten Landtagswahl in Rheinland-Pfalz in den Landtag einzuziehen. Sahra Wagenknecht habe schon deutlich gemacht, dass das BSW grundsätzlich auch bereit sei, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Die einzige Partei mit der das BSW derzeit jede Zusammenarbeit ausschließt ist die AfD.
"Dort, wo wir in Rheinland-Pfalz in Kommunalparlamente hineingekommen sind, spielt die AfD keine Rolle, so dass man da eine Brandmauer bräuchte", so Ulrich. "Wir haben gesagt, wir werden mit der AfD keine Zusammenarbeit pflegen."
Dem Bündnis Sahra Wagenknecht wird von verschiedenen Seiten Populismus vorgeworfen. Der Politikerwissenschaftler Jun, hält den Vorwurf für berechtigt. "Nach den gängigen Kriterien, die wir in der Politikwissenschaft für Populismus haben, kann man die Partei als populistisch bezeichnen." Die neuen Mitglieder sehen das anders. Sina Listmann sagt, sie finde nicht, dass Sahra Wagenknecht populistisch sei. Sie spreche lediglich sehr unangenehme Themen an.