Bald jeder Zweite betroffen

Allergien durch Klimawandel häufiger und heftiger

Stand
Autor/in
Sascha Mache
Matthias Weber

Husten, Atembeschwerden, tränende Augen - viele Menschen leiden unter Allergien und das immer heftiger. Denn der Klimawandel lässt Pollen früher und länger fliegen.

Kälte, Nieselregen: Für Christine Jordan ist es ein schöner Tag! Die Allergikerin genießt das Rheinufer in Mainz ohne Beschwerden. Von ihrer Arbeit sind es nur zwei Minuten zum Winterhafen, sie käme gerne öfter her, aber bei schönem Wetter tut ihr das nicht gut.

"Meine Nase ist geschwollen, ich fange an zu niesen … so richtige Niesattacken … mit brennenden Augen, tränenden Augen", berichtet Jordan. Schwierig für sie sei auch, dass sich die Allergie verändere. "Was kommt jetzt Neues dazu und für was muss ich gerüstet und gewappnet sein?"

Als Kind bekam Christine Jordan Heuschnupfen, mit den Jahren wurde es schlimmer, Lebensmittelallergien kamen hinzu, schließlich Asthma. Heute hat sie immer ein Notfallset dabei. Einen Adrenalin-Pen gegen Asthmaanfälle, Medikamente gegen die Allergie. Manchmal reichen Tropfen und Tabletten aber nicht. "Mir schwillt dann alles zu, mir schwillt der Hals zu, mir bricht die Stimme weg."

Hat immer größere Probleme mit Allergien: Christine Jordan
Hat immer größere Probleme mit Allergien: Christine Jordan

"Allergien entwickeln sich, immer mehr Symptome kommen dazu"

Seit 2016 macht Jordan deshalb eine Behandlung beim Allergologen Ludger Klimek: Spritzen zur Desensibilisierung gegen Frühblüher, Gräser und Wespen. Der Mediziner hat viele Patienten wie sie, bei denen sich die Allergie im Laufe der Zeit verschlechtert.

"Was man eben vergisst bei Heuschnupfen: Dass es eine chronisch entzündliche Erkrankung ist, dass es nicht nur die Nase treffen kann, sondern genauso den Rachen, den Kehlkopf, die Lunge und dann eben auch Asthma auslösen kann und viele andere Reaktionen." Und genau das mache Allergien eigentlich so problematisch, betont Klimek, "dass sie sich entwickeln und immer mehr Symptome dazukommen".

Klimawandel verstärkt Allergien

Mehr Symptome, mehr Allergien, mehr Betroffene. Durch den Klimawandel fliegen die Pollen immer länger, Bäume blühen früher, das zeigt etwa die Statistik zur Blüte der Erle in Rheinland-Pfalz: Im Durchschnitt beginnt ihre Pollensaison heute schon im Februar, gut zwei Wochen früher als 1950.

"Dass Klimawandel und Allergien zusammenhängen, das ist sehr klar wissenschaftlich bewiesen", sagt Claudia Traidl-Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin an der Universität Augsburg. "Wir haben eine längere Pollenflug-Saison, wir haben mehr Pollen pro Tag, wir haben aggressivere Pollen und wir haben neue Pollen, wie zum Beispiel das Beifußblättrige Traubenkraut."

Ärzte fordern finanzielle Unterstützung für Tests

Das Traubenkraut, die Ambrosia, kommt aus Nordamerika. Dank Klimaerwärmung wächst sie auch bei uns. Wegen ihrer aggressiven Pollen wird sie bekämpft, mit geringem Erfolg.

Um zu wissen, ob sie auch auf neue Allergene reagiert, lässt sich Christine Jordan testen. Zum Glück hat sie mit Ambrosia kein Problem. Solche Tests seien unverzichtbar, betont ihr Arzt. Doch vielfach fehle es noch an den nötigen Ressourcen.

"Diese Test-Substanzen sind auch Medikamente, die entwickelt, die zugelassen werden müssen", sagt Klimek. Aber vielfach lohne sich das für die Industrie gar nicht, das zu machen. "Hier brauchen wir dringend die Unterstützung der Politik und auch der Krankenkassen, damit solche Tests entwickelt und letztlich auch finanziert werden können." Eine Aufgabe für den Bundesgesundheitsminister.

Forschung in Rheinland-Pfalz, Prävention in Bayern

Und was tut die Landesregierung? "Wenn allergische Reaktionen auftauchen, brauchen wir auch eine gewisse Verfügbarkeit der notwendigen Medikamente", sagt Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) dem SWR. Rheinland-Pfalz habe den Immun-Forschungsschwerpunkt. "Wir hoffen natürlich sehr, dass wir irgendwann auch Mittel haben, tatsächlich Immunreaktion wieder komplett zu unterbinden", so Hoch.

Rheinland-Pfalz unterstützt die Forschung, Bayern investiert in die Prävention. Dort informiert ein vollautomatisches Messsystem, wie viele Pollen aktuell fliegen. Das soll Betroffenen helfen, sich gezielt zu schützen.

Nationaler Aktionsplan Allergie "unbedingt nötig"

In Rheinland-Pfalz gibt es nichts Vergleichbares. Dabei wäre bundesweit mehr Prävention nötig sagt Traidl-Hoffmann. Denn bis 2050 werde die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland an Allergien leiden. Der Handlungsdruck sei aber noch gar nicht ausreichend im Bewusstsein. Was unbedingt nötig sei, "wäre ein nationaler Aktionsplan Allergie".

Bessere Prävention könne die volkswirtschaftlichen Kosten durch Allergien senken. Vor allem aber erspare sie Betroffenen unnötiges Leid.

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Haselnuss und Erle blühen früher. Der Klimawandel verlängert die Pollensaison und führt zu mehr Pollenbelastung. Allergien werden zu einem immer größeren Problem.

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