Serie: Wirtschaftsstandort Deutschland

Lassen sich Menschen von negativen Konjunktur-Meldungen runterziehen?

Stand
Autor/in
Andreas Herrler
Andreas Herrler steht im Gang eines SWR-Gebäudes.

Die Lage in der deutschen Wirtschaft ist das SWR-Aktuell-Schwerpunktthema in dieser Woche. Thema heute ist, wie Negativ-Meldungen zur konjunkturellen Lage bei den Menschen ankommen und was möglicherweise getan werden kann, um dem entgegenzuwirken. Wie Thomas Bäumer, Wirtschaftspsychologe an der Hochschule für Technik in Stuttgart, das Problem angehen würde, erklärt er im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Herrler.

SWR Aktuell: Dass sich die Beschäftigten zum Beispiel in der Autoindustrie gerade Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, ist klar. Und dass die ihr Geld dann lieber sparen, ist auch klar. Wie könnte man denn gerade diesen Personenkreis davon überzeugen, dass eine dauernde Zurückhaltung doch eher kontraproduktiv ist für die konjunkturelle Entwicklung?

Thomas Bäumer:Das ist natürlich eine sehr, sehr schwierige Frage, wie man das hinkriegen könnte. Denn grundsätzlich sind diese Nachrichten, diese negativen Meldungen, die man auch im eigenen Konzern bekommt, etwas, was negative Stimmung auslöst, was auf die eigene Stimmung drückt. Dieses negative Erleben die negative Stimmung, ist gleichzeitig ein Warnsignal für Menschen: Irgendwas stimmt nicht. Irgendetwas ist nicht in Ordnung. Man passt sehr genau auf, was man jetzt macht. Man prescht nicht voran, kauft nicht einfach mal neue Produkte, sondern wartet eher ab. Man ist unsicher. Und jetzt zu sagen: Ich möchte die einzelnen Menschen davon überzeugen, hier dagegen anzuarbeiten, das ist ein bisschen wie beim Problem mit dem Klimawandel. Wir sind alle betroffen, wir müssten alle eigentlich dagegenhalten. Aber meinen eigenen Beitrag, den erlebe ich ja gar nicht. Das heißt, wenn mir jemand sagt: Wenn ich jetzt etwas mache, mein Geld ausgebe, dann ist die Konjunktur ja noch nicht angekurbelt. Dann ändert das ja noch nichts. Für mich ist deswegen eines, was man ganz konkret machen könnte, eher etwas im kleineren Umfeld - also, dass ich versuche, in meinem Unternehmen etwas voranzutreiben. Ich kann mir vorstellen, dass ich eher bereit bin, in meinem Unternehmen meine Produkte zu kaufen, und dass ich in meinem Unternehmen auch meine eigene Produkte promoten werde. Denn davon habe ich am Ende auch was.

SWR Aktuell: Nun sind natürlich bei Menschen, die in Branchen arbeiten, denen es gerade nicht so gut geht, viel stärker von solchen Sorgen und Ängsten betroffen. Nehmen wir mal an, es geht mir jetzt finanziell gut. Ich bin jetzt vielleicht nicht direkt von einer Meldung betroffen, wenn es heißt, in der Autoindustrie werden Stellen abgebaut - weil ich eben in einer anderen Branche arbeitet. Was es mit solchen Menschen? Nehmen die solche Negativmeldungen nur zur Kenntnis - oder überlegen auch die zweimal, ob sie etwas Neues kaufen?

Bäumer: Ich glaube, das direkte Umfeld, der eigene Arbeitsplatz, hat schon einen stärkeren Impact als jetzt nur eine globale Zeitungs- oder Social-Media-Meldung, weil ich einfach  eine ganze andere Validität, also eine ganze andere Wahrheit unterstelle. Das heißt: Die Personen, die im Unternehmen arbeiten, denen es noch gut geht, die noch ein dreizehntes Jahresgehalt kriegen, die sich weiterhin keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen müssen, die sind auch nicht so stark eingeschränkt bei ihrem Konsum. Deswegen ist da das Problem gar nicht so stark zu sehen. Es ist schon sehr stark das eigentliche Umfeld, was ich erlebe, neben dem, was ich lese. Und das eigene Umfeld ist halt wichtiger.

SWR Aktuell: Sie haben schon gesagt um Menschen zum Konsum zu bewegen, kann man natürlich erst mal im eigenen Unternehmen anfangen. Was können Unternehmen denn ansonsten tun, um Menschen jetzt auch in schwierigen Zeiten zu mehr Konsum zu bewegen? Mit Werbung allein es ist wahrscheinlich nicht getan?

Bäumer: Ja, da haben Sie recht. Werbung läuft ja auch weiterhin. Das wird ja auch versucht in jeglicher Zeit. Ganz wichtig ist aus psychologischer Sicht das Thema „Vertrauen“. Wenn ich in negativer Stimmung bin durch negative Meldungen, dann bin ich unsicher. Dann bin ich eher ein bisschen hilflos, sorgenvoll - und mir würde helfen, wenn ich ein vertrauensvolle Person, eine vertrauensvolle Marke neben mir hätte. Das Thema Marke ist, glaube ich, etwas, das Unternehmen auch in Nicht-Krisenzeiten angehen. Eine Marke, zu der ich mich gebunden fühle, bei der ich mich wohl fühle, weil ich die schon seit Jahren oder Jahrzehnten kenne, da bin ich auch eher bereit, zu sagen – zum Beispiel bei der E-Mobilität – „Wir haben ein komplett neues Produkt. Wir glauben an dieses neue Produkt.“

SWR Aktuell: Wenn sie die E-Mobilität ansprechen: Wir haben da jetzt veränderte Rahmenbedingungen, weil zum Beispiel die Politik die E-Auto-Förderung streicht. Schwindet dann auch möglicherweise das Vertrauen nicht nur in eine Marke, sondern in eine ganze Branche?

Bäumer: Das ist tatsächlich bei der Autobranche superschwierig in Deutschland. Die deutschen Marken haben halt nicht gesagt: Das Thema E-Mobilität ist etwas, das wir unterstützen, das wir vorantreiben wollen. Das kam sehr, sehr spät und eher so aus einer Not heraus, teilweise politisch getrieben. Auch das heißt. Die Kunden, die Bürgerinnen und Bürger im Land, die haben sehr wohl wahrgenommen: Aha! Die Marke hat sich erst mal sehr, sehr zurückgehalten. Und jetzt sagt sie im Zweifel halbherzig: „Doch, wir machen E-Mobilität“. Mercedes zum Beispiel sagt dann: "Aber dann doch nicht so richtig..."  Und die Marken, zu denen ich gar keine Beziehung aufgebaut habe, die aus dem Ausland kommen, Tesla oder die chinesischen Marken, die helfen mir nicht weiter. Die werde ich nicht kaufen, weil ich die nicht kenne, weil das Vertrauen fehlt. Tatsächlich ist die deutsche Autoindustrie ja auch mitverantwortlich, weil sie dieses Thema so zögerlich und zaghaft angegangen ist.