Mercedes-Benz eröffnet "eCampus" in Stuttgart: Wo steht der deutsche E-Auto-Markt?

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Simon Dörr

Wenn Bundeswirtschaftsminister Habeck und der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann zur Eröffnung eines Firmen-Erweiterung anreisen, dann muss das ziemlich wichtig sein. In Stuttgart-Untertürkheim, dem Stammsitz von Mercedes-Benz, wurde der sogenannte „eCampus“ offiziell eröffnet. Ein Kompetenzzentrum, in dem künftige Batterien und elektrische Antriebsstränge entwickelt werden sollen. Wie Mercedes und die deutsche Autobranche für die elektrische Zukunft gewappnet sind, darüber hat SWR-Aktuell-Moderator Simon Dörr mit Birgit Priemer gesprochen. Sie ist Chefredakteurin der Zeitschrift „auto motor und sport“.

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SWR Aktuell: Wie wichtig ist dieser neue eCampus für Mercedes, um mit Konkurrenten wie Tesla oder auch chinesischen Herstellern mithalten zu können?

Birgit Priemer: Natürlich ist es sehr, sehr wichtig, sonst würde ja auch ein Bundeswirtschaftsminister nicht kommen. Ein großer Schritt für Mercedes, zweifellos auch in die richtige Richtung, auch wenn wir gerade ganz offensichtlich einen Verkaufsrückgang haben bei den Elektroautos, die Stromer lahmen gerade. Aber umso wichtiger ist es, in so einer Phase auch nicht den Mut aufzugeben und nicht zu sagen, wir stellen die Elektromobilität zurück.

SWR Aktuell: Das heißt: Vielleicht ist dieses ganze Tamtam um diesen Campus auch etwas PR?

Priemer: Das würde ich so nicht sehen, denn der Campus ist ja schon seit langer Zeit angekündigt. Es gab ja schon eine Veranstaltung 2022, auch mit Herrn Kretschmann dort in Untertürkheim vor Ort. Als PR-Veranstaltung würde ich das nicht ansehen, sondern im Gegenteil: Die Automobilhersteller müssen alles tun, damit die Elektroautos weiter den Kunden als Alternative vor Augen geführt werden, um sie bekannt zu machen, Sichtbarkeit zu stärken und zu sagen: Hier ist etwas in Sachen CO2-Neutralität, was für die Zukunft wichtig werden könnte.

SWR Aktuell: Gleichzeitig vollführt Mercedes ja gerade einen Zickzackkurs. Auf der einen Seite soll mit einer Produktoffensive in konventionell angetriebene Fahrzeuge auch mitinvestiert werden. Jetzt kommt dieser eCampus. Wie passt das denn zusammen? Ich meine, Sie haben es ja auch schon gesagt bisher bleibt Mercedes ja hinter dem erhofften Erfolg der batterieelektrischen Autos zurück…

Priemer: Ola Källenius hatte ja angekündigt, bis 2030 dort in den Märkten, wo es möglich ist, künftig auf Verbrenner zu verzichten, sie auslaufen zu lassen. Von dem Kurs ist die Marke zurückgewichen und treibt jetzt beides weiter voran. Vor einigen Jahren wäre man als Marke dafür noch sehr stark abgestraft worden, wenn man sagt, man setzt doch weiter auf den Verbrenner. Ich glaube, grundsätzlich ist es wichtig, dass wir technologisch alle Möglichkeiten weiter vor Augen haben, dass wir uns überlegen: Welche Alternative können wir anbieten, damit Verbrenner weiter genutzt werden können und nicht quasi irgendwann ausgemustert werden müssen? Da ist das Stichwort der E-Fuels, der alternativen Kraftstoffe, immer noch ein großes Thema. Und trotzdem glaube ich: Auch mit Blick auf die weltweiten Märkte ist es sehr wichtig, in Sachen Elektromobilität sehr präsent zu bleiben und dort auch neue Modelle anzubieten. Das wird ja Mercedes auch tun. Zum Jahresende kommt ja der neue CLA auf dem Markt, zunächst mit Elektroantrieb, später dann auch als Plug-in-Hybrid. Und ich glaube, dass es wichtig ist, dass man das Thema weiter vorantreibt.

SWR Aktuell: E-Fuels sind ja auch politisch sehr umstritten. Wie stehen Mercedes und die anderen deutschen Autobauer im Moment technologisch da im internationalen Vergleich?

Priemer: Technologisch stehen sie nicht schlecht da. Wenn wir unsere Vergleichstests anschauen - und auch durchaus Vergleichstests vom ADAC und Co. - dann sind deutsche Produkte da ganz vorne mit zu finden, und auch koreanische Produkte dürfen wir nicht vergessen, Kia und Hyundai. Und die chinesischen Autos haben sehr stark aufgeholt.  Wenn es um die Fahrzeugsicherheit geht, um den Euro-NCAP-Crashtest zum Beispiel, da hatten die früher desaströse Ergebnisse. Die sind viel, viel besser geworden. Aber in Sachen Reichweite oder auch Ladegeschwindigkeit machen sie den europäischen Konkurrenten nichts vor. Also: Wir müssen günstiger werden. Die Angebote müssen einfach für die Menschen attraktiver werden.

SWR Aktuell: Es ist ja bisher so, dass die deutschen Hersteller bei Elektroautos vor allem auf die Oberklasse und das Luxussegment setzen. Wie sinnvoll ist es, sich da von einem Teil der Autokäuferinnen und -käufer in Deutschland zu verabschieden?

Priemer: Es ist absolut wichtig, dass wir günstigere Autos anbieten zu bezahlbaren Preisen. Mercedes wird mit dem CLA günstiger werden, aber natürlich nicht für die breite Schicht, Der CLA wird irgendwo um die 50.000 Euro kosten. Da ist der große Treiber eher der VW-Konzern, Konzern, der 2025 oder 2026, dann Angebote unter 30.000 Euro haben wird. Da müssen wir auch unbedingt hin. Und wer sich heute für Elektromobilität interessiert, der sollte sich einfach umschauen. Es gibt ganz gute Leasingangebote. Man muss ja nicht gleich das ganze Geld auf den Tisch legen.

SWR Aktuell: Es gab ja auch Subventionen, die Kaufprämie für E-Autos, den sogenannten Umweltbonus, hat die Bundesregierung Ende letzten Jahres gestoppt. Die Zahl der neu zugelassenen Elektroautos ist im ersten Halbjahr 2024 auf rund 184.000 zurückgegangen. Das sind fast 40.000 weniger als im ersten Halbjahr 2023. Klappt der Umstieg aufs E-Auto auf andere Technologien vielleicht auch gar nicht ohne Subventionen?

Priemer: Neue Technologien müssen immer auch vom Staat mitgefördert werden und attraktiv gemacht werden, und zwar nicht nur über ein paar Monate, sondern über einen längeren Zeitraum. Und dann muss der Staat auch andere Hausaufgaben machen. Er muss den Ausbau der Netze, der Ladeinfrastruktur vorantreiben. Er muss dafür sorgen, dass grüner Strom erhältlich ist, damit Elektroautos überhaupt auch ihre Umweltperformance auf die Straße bringen, und und und…  Ich fand das Abschaffen der Kaufprämie unüberlegt, viel zu kurzfristig. Andere Staaten haben auch Förderprämien die orientieren sich auch daran, welches Einkommen die Menschen haben, wieviel sie bereit sind, für das Auto auszugeben. Das könnte man ein bisschen cleverer machen. Und aus meiner Sicht ist es unbedingt notwendig, um die Elektromobilität weiter voranzubringen.

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Simon Dörr