Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein und Chef einer Koalition aus CDU und Grünen, vertritt innerhalb seiner Partei einen eher progressiven Kurs. Er gilt als interner Kritiker von CDU-Chef Friedrich Merz. Am neuen Grundsatzprogramm seiner Partei möchte Günther noch einige Stellschrauben drehen, ebenso wie bei der Schuldenbremse.
Lassen sich AfD-Politiker von autoritären Regimen einspannen? Die beiden AfD-Spitzenkandidaten Krah und Bystron stehen im Verdacht, Politik für China und Russland gemacht zu haben. Im Interview der Woche zeigt sich Günther wenig überrascht von den Vorwürfen und meint, „dass die AfD mal wieder ein bisschen auch ihre Maske gelockert hat“. Er habe nach wie vor "eine Grundsympathie" für ein Parteiverbot gegen die AfD, um die Demokratie zu schützen, aber das müsse gut vorbereitet sein.
"Die Schuldenbremse hat Unwuchten"
Schleswig-Holstein hat einen Schuldenhaushalt für 2024 verabschiedet mit gleich 3 Notkrediten wegen Corona, wegen des Ukraine-Kriegs und wegen der Ostseeflut im vergangenen Jahr. Daniel Günther steht deshalb in der Kritik und stellt sich außerdem gegen den Kurs der Bundes-CDU, die an der bestehenden Schuldenbremse festhält. Er sagt: die Schuldenbremse ist grundsätzlich richtig, aber eine Notlage bedeutet eine andere Situation. "Ich glaube, wir müssen schon feststellen, dass die Schuldenbremse in der Form, wie sie im Moment besteht, schon auch einige Unwuchten hat, dass wir auf Bundesebene andere Regeln haben als in den Ländern". Er fordert im Interview der Woche "einen Anpassungspfad" für Notlagen.
Neues CDU-Grundsatzprogramm
Daniel Günther findet nicht, dass das neue Grundsatzprogramm seiner Partei zeigt, "dass wir uns konservativer entwickeln". Es gebe der CDU ein klares Profil und fokussiere sie klar in der Mitte. Dennoch möchte er noch Änderungen erreichen, etwa beim Punkt "Fachkräfte". Da müsse deutlicher werden, dass Deutschland auch ausländische Fachkräfte anwerben müsse, "um unseren Wohlstand zu erhalten." Es würde sich lohnen "auch ein bisschen darüber zu streiten, dass das auch in den Formulierungen deutlich wird." Die umstrittene Passage zum Islam gefällt Günther nach der Korrektur besser, weil sie nicht Menschen (Muslime) ausgrenze, sondern die Auslegung des Islam gemeint sei. "Und wenn man eben ne große Partei sein will, wenn man den Anspruch hat, vierzig Prozent zu erreichen, dann müssen eben auch unterschiedliche Flügel auch in solchen Formulierungen mitgenommen werden.", sagt Günther.
Wer wird Kanzlerkandidat der Union?
Da hält sich CDU-Präsidiumsmitglied Daniel Günther ganz an die Sprachregelung der Parteispitze: abwarten mindestens bis nach der Europawahl. Eins ist aber klar, sagt der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, "dass die Zeiten, wo zwei Männer das untereinander ausmachen, in der Union lange vorbei sind. So funktionierts halt auch nicht mehr, sondern natürlich müssen wir da auch in einem größeren Kreis drüber sprechen." Die CDU-Ministerpräsidenten wollen mitreden, während CDU-Chef Merz und CSU-Chef Söder sagen, sie würden eine gemeinsame Entscheidung treffen.
TikTok ohne Daniel Günther
Bundesgesundheitsminister Lauterbach, Bundeskanzler Scholz und in dieser Woche auch Wirtschaftsminister Habeck - die Ampel entdeckt TikTok. "An TikTok (…) habe ich mich zumindest Stand heute noch nicht rangewagt.", sagt Günther. Er sei nicht so der Fan davon, mit ganz kurzen Botschaften zu arbeiten, sondern wolle Politik "eher ein bisschen umfänglicher (…) erklären". Ob er als begeisterter Tänzer nicht besonders geeignet wäre für die beliebten Videoschnipsel? "Also ich würde mir das durchaus zutrauen, da einigermaßen zielgruppengerecht auch zu arbeiten, das stimmt", sagt Günther – und lacht dabei.
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