„Gespannt, wie Merz das verteidigt“ – Publizist von Lucke über CDU, AfD und FDP in Thüringen

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Autor/in
Andreas Böhnisch

Dass die Grunderwerbsteuer in Thüringen gesenkt werden soll, würde außerhalb des Bundeslandes wohl niemanden interessieren – wenn die Gesetzesänderung nicht von den Oppositionsparteien durchgesetzt worden wäre. CDU, AfD und FDP haben zusammen dafür gestimmt. Ist damit die sogenannte „Brandmauer“ der CDU gefallen? Die Christdemokraten, allen voran Parteichef Merz, haben immer wieder eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen – auch, weil deren Thüringer Landesverband vom Landesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird. Was die Abstimmung für die CDU und ihren Vorsitzenden bedeutet, schätzt der Publizist Albrecht von Lucke von den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch ein.

SWR Aktuell: War es das jetzt mit der Brandmauer der CDU gegen die AFD?

Albrecht von Lucke: Nein, das halte ich für zu massiv. Aber eins ist ganz klar: In diese Brandmauer ist damit ein massives Loch geschlagen worden. Die Brandmauer, der Dammbruch, von der dann ja auch immer gleich gesprochen wird, das wäre der Fall, wenn tatsächlich eine Regierung gebildet würde mit Beteiligung der ARD in einem Landtag oder gar im Bundestag. Davon sind wir noch entfernt. Aber eines ist ganz klar: Das ist ein erster Schritt in Richtung einer echten Zusammenarbeit, denn das ist es, was passiert ist. Hier ist von der CDU ein Gesetz explizit - und übrigens sehenden Auges - mit den Stimmen der AfD gemeinsam beschlossen worden. Das ist natürlich genau die Zusammenarbeit, die Friedrich Merz vor Kurzem noch ausgeschlossen hat.

SWR Aktuell: Sie reden also von einem ersten Schritt in Richtung Zusammenarbeit von CDU und AfD. Der CDU-Landes und Fraktionschef Mario Voigt sieht das natürlich ganz anders. Er war gestern Abend im Interview in den ARD Tagesthemen.

O-Ton Mario Voigt: Der Kompass der CDU ist klar, wir arbeiten nicht zusammen mit der AfD, das ist für uns ein Grundprinzip. Aber ich will ganz deutlich sagen: Die Leute haben die Schnauze voll von diesen politiktaktischen Spielen. Was sie wollen, ist, dass man sich tatsächlich um ihre Sorgen kümmert. Und ich bin schon ein klein wenig über die Doppelmoral überrascht. Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung hat mehrere Beschlüsse in diesem Parlament nur mit den Stimmen der AfD hinbekommen und hat dadurch die Mehrheit erhalten. Und das zeigt, dass diese Doppelstandards nicht funktionieren. Für uns ist die Entlastung der Menschen wichtig. Und genau darum haben wir uns heute gekümmert.

SWR Aktuell: Rechtfertigt Pragmatismus in der Politik, dass, wie es in Thüringen der Fall ist, die CDU ein Gesetzesvorhaben zur Abstimmung stellt, von dem sie weiß, dass die AfD zustimmen wird?

Von Lucke: Genau das Letztere ist der entscheidende Punkt. Insofern halte ich es für ein sehr, sehr gewagtes Spiel von Herrn Vogt, was er hier behauptet - denn es wird von der SPD und den anderen Parteien der Linken Mitte gegensätzlich behauptet - er behauptet, man hätte keine Zustimmung erzielen können. Die anderen sagen man ist einer Lösung nicht hinreichend nahe gekommen, beziehungsweise man hat sich nicht einigen können. Das heißt, hier steht gewissermaßen Rede gegen Gegenrede. Eines ist doch ganz klar: Am Ende hat sich die CDU dazu entschieden, dezidiert mit den Stimmen der AfD dieses Gesetz durchzubringen. Damit ist auch ganz klar, dass Frau Weidel triumphiert. Sie hat ja deutlich gesorgt, und Herr Höcke ist sich ähnlich eingelassen, „die Brandmauer ist Geschichte“. Die AfD nimmt das genau als das, was es ist: Als einen ersten Schritt in Zusammenarbeit in einem maßgeblichen Feld, nämlich beim Haushaltsgesetz. Das ist so etwas wie eine Einleitung. Natürlich werden viele jetzt daraus folgern, wenn wir einen Schritt gemacht haben, dann wird die Frage im Raum sein - und wir rücken ihr näher -, ob man da nicht mit der AfD auch grundsätzlich wird zusammenarbeiten können.

SWR Aktuell: Friedrich Merz verteidigte gestern vor der Abstimmung das Verhalten der CDU in Thüringen. Seitdem hat er sich nicht mehr öffentlich geäußert. Wie sollte, wie muss, der CDU-Bundesvorsitzende jetzt reagieren?

Von Lucke: Es ist mir nicht ganz klar, wie er reagieren will, denn er hat ja ganz ersichtlich mit Herrn Voigt vorher darüber beraten. Das wurde deutlich gesagt von beiden Seiten. Friedrich Merz hat es gesagt, und auch Herr Voigt. Sie sind zu dem gemeinsamen Beschluss gekommen, das so zu machen. Und wenn Friedrich Merz jetzt sagt, so ist ein O-Ton, wir machen das, was wir in den Landtagen wie auch im Deutschen Bundestag diskutieren - ich betone das Wort „diskutieren“ - nicht von anderen Fraktionen abhängig, dann ist das natürlich eine absolute Verniedlichung dieses Vorgangs. Hier wurde nicht nur etwas diskutiert, und das muss man festhalten im Wissen darum, dass die anderen Parteien, SPD, Grüne, auch die Liberalen, mit denen man ja eine Mehrheit hätte erzielen können, wenn man darauf gepocht hätte: „Wir machen es nun gemeinsam mit euch, wir wollen es aber durchsetzen.“ Dann hätte man auch so Druck ausüben können. Man hat genau darauf verzichtet und hat dezidiert ein Gesetz mit den Stimmen der AfD verabschiedet. Das ist der Widerspruch zu dem, was Friedrich Merz selbst noch vor kurzem behauptet hat. Das ist eine Zusammenarbeit, da führt kein Weg dran vorbei, und insofern sehe ich nicht recht, wie Friedrich Merz das verteidigen kann. Und ich bin übrigens auch sehr gespannt auf die Debatte in der eigenen Partei. Denn seine jüngsten Äußerungen bezogen sich ja nur auf die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene, wenn wir uns erinnern. Jüngst erntete er gewaltigen Protest, weil er Zusammenarbeit beziehungsweise Kooperation auf kommunaler Ebene nicht ausschloss. Bereits das hat massiven Widerspruch in der CDU-CSU-Partei- und Fraktionsgemeinschaft ausgelöst. Ich bin mal gespannt, wie die Stimmen jetzt sein werden, denn das dürfte eigentlich auch in seinen eigenen Reihen nicht unwidersprochen bleibt.

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Andreas Böhnisch