"Zwei Minuten": Unsere Kolumne zum Wochenende

Meinung: Pisa-Schock, was tun? Einfach mehr vorlesen

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Autor/in
Laura Koppenhöfer

So schlecht war das Pisa-Ergebnis noch nie. Weil die Politik versagt hat? Natürlich nicht: Es liegt an den Eltern. Laura Koppenhöfer weiß nicht, ob sie darüber lachen oder weinen soll.

Nicht immer alles so negativ sehen. Gerade in diesen vor Negativschlagzeilen strotzenden Zeiten. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat es uns diese Woche vorgemacht. Nach dem PISA-Schock: Die 15-jährigen Schülerinnen und Schüler kapieren in Lesen, Mathe und Naturwissenschaften so wenig wie nie - und alle machen sich ins Hemd. Nö, Winfried Kretschmann nicht, der klopft sich aufs Hemd, also auf die mit Hemd bedeckte Schulter. Denn er sieht das Positive, nämlich, dass die PISA-Studie vor allem eins gezeigt hat: Seine grün-schwarze Landesregierung macht’s bildungspolitisch richtig, “die Schwerpunktsetzungen” zeigen in die richtige Richtung und “der Konsens in der Koalition, sich auf die frühkindliche Bildung fokussieren zu müssen”, sei noch einmal bestätigt worden.

Die Kolumne von Laura Koppenhöfer können Sie hier auch als Audio hören:

Politisches Eigenlob trotz Pisa-Schock

Während ich noch überlege, ob ich weinen oder doch lieber lachen soll, angesichts so viel höhnischen Eigenlobes, fällt mir das entscheidende Wort im Zitat auf: “Müssen”. Die Landesregierung muss sich fokussieren, das heißt, noch ist der Fokus woanders. Muss so sein. Bei rund 60.000 fehlenden Kita-Plätzen allein in Baden-Württemberg, wie es die Bertelsmann-Stiftung gerade wieder vorgerechnet hat. Bei katastrophalen Personalengpässen, chronisch gekürzten Öffnungszeiten und ständiger Notbetreuung, wo man hinschaut. Bei teilweise so hohen Gebühren, dass sich ein mittelgut bezahlter Teilzeitjob kaum lohnt und gerade die Familien abgeschreckt werden, deren Kinder vom Fokus auf frühkindliche Bildung besonders profitieren würden. Wenn er denn dann kommt.

Laura Koppenhöfer
Die Meinung von Laura Koppenhöfer

Kinder verwahren, statt bilden

Wie es derzeit aussieht, haben rund 2.000 Kita-Beschäftigte in einer Recherche von Correctiv.lokal berichtet: Etwa die Hälfte sagt, dass sie die Kinder eher “verwahren”, Bildungsangebote seien bei bestem Willen oft nicht drin. Ach Leute, das klingt jetzt schon wieder so negativ. Dabei wird doch alles gut. Der Schwerpunkt ist richtig gesetzt, der Konsens in der Koalition gefunden, der Fokus kommt.

Politisches Patentrezept: Eltern müssen mehr vorlesen

Also, wahrscheinlich. Denn eigentlich ist die Politik hier ja gar nicht wirklich zuständig. Schließlich ist ihr Einfluss begrenzt, wie Kretschmann betont. Schwerpunkt, Konsens, Fokus, na gut, aber dass die Schulkinder später so wenig blicken, liegt am Ende nicht an fehlenden Lehr- und Erziehungskräften oder schlecht ausgestatteten Schulen und Kitas. Wer kommt denn auf sowas. Das liegt vor allem daran, erklärt Baden-Württembergs Ministerpräsident, dass Kinder heute ganz anders erzogen werden, dass der “Bildungs- und Leistungswille” sich verändert hat. Und daran, dass Eltern zu wenig vorlesen. Was will eine Landesregierung da schon machen. Eben.

Die Eltern schaffen das schon

Also liebe übermüdete Eltern: Weniger jammern, mehr vorlesen. Wenn die Kita das nächste Mal zu hat zum Beispiel. Statt jeden Streiktag erschöpft, aber verständnisvoll abzupuffern, mal selbst streiken. Sollen die Arbeitgeber oder Kunden doch gucken, wie sie klarkommen. Wir haben Wichtigeres zu tun, wir lesen vor. So wird es natürlich nicht kommen. Sondern so, dass die Eltern tapfer weiter funktionieren. Betreuen ihre Kinder notfalls zu Hause, bezahlen Babysitting, arbeiten vor oder nach oder nachts. Nach Zetern, Zirkus, Zähneputzen. Und nach dem Vorlesen natürlich.

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