Der Druck nimmt zu im Kessel der Berliner Politik. Eine ostdeutsche Sozialdemokratin fordert die SPD-Vorsitzende Saskia Esken auf, nicht mehr in Talkshows zu gehen. Die Doppelspitze der Linken schmiss schon vor dem Wahldebakel in Sachsen und Thüringen hin. BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht faselt von Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. 40 Unionspolitiker fordern eine Brandmauer gegen das Wagenknecht-Bündnis.
Die politische Entwicklung im Bund erscheint mir als völlig offen. Es muss im Herbst und Winter überhaupt nichts, es kann alles passieren. Allerorts liegen die Nerven blank, auch bei den vermeintlichen Wahlgewinnern vom Wochenende. Die AfD muss erleben, dass sie trotz ihres Höhenflugs nicht regieren kann. Das BSW steht vor dem Spagat zwischen europäischer Friedensrhetorik und regionaler Bildungs- oder Verkehrspolitik.
Schreckgespenst „5. Februar 2020“
Der erhöhte Druck im Kessel hat nach meinem Dafürhalten auch etwas Gutes. Die gutwillige, aus dem Ruder gelaufene Migrationspolitik zweier Bundesregierungen steht mutmaßlich vor dem Aus. Zielführende Bündnisse – etwa ein von der Linken tolerierter CDU-Ministerpräsident – erscheinen erstmals möglich. Deutschlands politische Landschaft erlebt einen Umbruch mit neuen Chancen und Risiken.
Zu den Risiken zählt, dass sich der „5. Februar 2020“ wiederholt, als der Freidemokrat Thomas Kemmerich Ministerpräsident von Thüringen wurde mit Stimmen von CDU und AfD. Vier Jahre später könnte es der AfD-Mann Björn Höcke mit Hilfe der BSW und CDU-Abweichlern schaffen. Auf das Trauma angesprochen, wiegelte der CDU-Ministerpräsidentenkandidat Mario Vogt am Mittwoch ab: Alle hätten aus der Vergangenheit gelernt.