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„Zwei Minuten“: Die Kolumne zum Wochenende

Meinung: Digital ist toll, aber nur mit PIN

Stand
Autor/in
Constance Schirra

Die selbst ernannte Fortschrittskoalition will uns das Leben mit ihrer Digitalstrategie erleichtern. Klappt noch nicht so ganz.

Also bei der Digitalstrategie unserer Regierung habe ich nachgelesen, dass Digitalisierung Lebenszeit und Ressourcen spart und ich finde: Da hat unsere Regierung wirklich Recht! Ich brauche zum Beispiel zum Einkaufen, Bezahlen, Musik hören, Diktieren, Schreiben, Lesen, Filme schauen, Spielen… nur ein einziges kleines Gerät. Nicht mehr laufen, nicht mehr warten – eine Revolution, finden die Regierung und ich.

Die Kolumne zum Wochenende können Sie sich hier auch anhören:

Entzückt nehme ich deshalb zur Kenntnis, dass die Fortschrittskoalition beständig fortschreitet mit der Digitalisierung. Zum Beispiel mit dem E-Rezept. Ist das nicht eine grandiose Idee! Nachgerade für mich ersonnen, die ich so ungern zum Arzt gehe. Ich muss da jetzt nie mehr hin, ich kann einfach in der Praxis anrufen und bekomme für meine Pillen und Pullen einen Code aufs Handy. Ha! Pillepulle.

Constance Schirra
Die Kolumne zum Wochenende von Constance Schirra

Indes: Die Praxis sagt: Nein, wir können keinen Code schicken. Ja wie jetzt? Warum nicht? Weil… ich war in diesem Quartal noch nicht da, ich muss erstmal die Krankenkassenkarte bringen. Aha. Na gut, wenn es meine Ärztin und meine Regierung so wollen, gehe ich eben wieder hin, warte, bekomme einen Zettel. Einen wirklich ganz ganz anderen Zettel, einen großen weißen, keinen kleinen roséfarbenen. Auf dem großen weißen Zettel steht ein Code. Daaa ist er endlich.

Nur wie kommt jetzt der Code in mein Handy, weil Digitalisierung ohne mein Handy, da kann was nicht stimmen, bitte, sag mir jemand: Wie kommt der Code in mein Handy? Bitte: Ich möchte gerne digital sein! Meine Praxis nicht so, meine Praxis weiß es nicht, empfiehlt aber „so Apps“. Apps natürlich, ich habe ja auch Apps für Wetter, Reisen, Telefonnummern, fleischlose Menüs, andere Sprachen, Versicherungen, Banken, Karten, mein Auto… und schwupps, jetzt habe ich auch eine App für das E-Rezept. Toll!

So und da steht: „Anmelden“. Klick. „Haben Sie eine NFC-fähige Gesundheitskarte?“  Hab‘ ich das?  Was heißt NFC? Google? „NFC steht für Near Field Communication und bedeutet Nahfeldkommunikation.“ Klar, was sonst. Natürlich hat meine Karte eine Nahfeldkommunikation, ich hätte doch keine Karte ohne Nahfeldkommunikation genommen. „Geben Sie ihre Zugangsnummer ein“. Google? Wo ist die Zugangsnummer für meine  Nahfeldkommunikation-Krankenkassen-Karte?  Oben rechts. Ah… ja… 554012. Weiter. Na also, flutscht doch.

Geben Sie die PIN für Ihre Gesundheitskarte ein. PIN? Für meine Gesundheitskarte? Wo ist die? SuchenSuchenSuchen… so oldscool, wo man früher so Sachen hatte, Ordner, Schubladen, Kisten… nichts gefunden. Macht ja nix, wir sind ja digitalisiert. Über die Website meiner Krankenkasse kann ich die PIN für meine Krankenkassenkarte ganz einfach bestellen. Ein Loblied auf die Digitalisierung …, ganz einfach. Gleich habe ich meine PIN, gleich kann ich für immer die E-Rezept-App nutzen, gleich muss ich nie wieder zum Arzt…

„Geben Sie die PIN für Ihren Personalausweis ein?“ Mein Personalausweis hat auch eine PIN? Wo? SuchenSuchenSuchen… nix, überall nur PINs und PUKs von der Telefongesellschaft. Kafka! Ich muss mal wieder Kafka lesen! Ich muss in das Schloss! Und aufs Passamt, zur Krankenkasse, wieder zur Ärztin, zur Apotheke und dann muss ich auch bei unserer Regierung vorstellig werden, der Fortschrittsregierung, die sagt: „Die Digitalisierung bringt allen Menschen Erleichterung.“ Ich muss ihr unbedingt sagen: So nicht!

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