Werteunion

Vor möglicher Parteigründung

Werteunion in Baden-Württemberg will keine Brandmauer zur AfD

Stand
Autor/in
Christian Susanka

Die Werteunion in Baden-Württemberg stellt sich nach Führungsquerelen neu auf. Dabei soll auch mit der AfD gesprochen werden. Derweil distanziert sich die CDU von dem Verein.

Die nach eigenen Angaben CDU-nahe Werteunion soll demnächst zu einer Partei werden. Das hat der Verein mit ihrem Vorsitzenden Hans-Georg-Maaßen, dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten, am 20. Januar in Erfurt beschlossen. Auch in Baden-Württemberg gab es bereits Treffen. Doch wofür steht die Werteunion und wie steht die CDU im Land zu dem Verein? Eine Annäherung.

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Es sieht auf den ersten Blick aus wie die perfekte Kulisse: Der Gasthof bietet für den Stammtisch eines betont konservativ auftreten wollenden Vereins ein Ambiente wie gemalt: Dunkles Fachwerk, mitten in der Altstadt von Nagold und auf der Speisekarte stehen deftige Gerichte.

Nur Mitglieder und Interessierte bei Stammtisch von Werteunion willkommen

Hier trifft sich an diesem Abend zum zweiten Mal die Werteunion Nordschwarzwald zum Stammtisch. Allerdings ist das keine offene Runde: Mitglieder des politischen Vereins und Interessierte kommen in einem Hinterzimmer zusammen. Auch die Presse will man bei dem Treffen nicht dabei haben. Begründung: Manche Mitglieder wollten vielleicht nichts sagen, manche könnten vielleicht nichts sagen, deswegen wolle man lieber unter sich bleiben, erklärt Carl Maria Falck, von der Werteunion Baden-Württemberg gegenüber dem SWR am Telefon. Das Gespräch findet im Vorfeld des Stammtischs statt, Falck sichert ein Interview zu. Auch vor der Kamera, aber eben auch vor dem Gasthaus.

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Falck ist momentan der Mann, der die Werte Union in Baden-Württemberg neu aufstellen soll. Auch nach Querelen im Landesvorstand. Zu seiner Aufgabe gekommen ist er über eine Empfehlung aus dem Kreis von Hans-Georg Maaßen, dem Kopf der Bewegung. Wenige Tage nach einem Bundestreffen in Erfurt, habe er die Anfrage bekommen und zugesagt, erzählt Falck. Jetzt gelte es die Werteinion bis Mitte Februar für neue Vorstandswahlen vorzubereiten. Falck gibt sich zuversichtlich: "Wir haben bereits erste Kandidaten, an dem Tag selbst wird es vielleicht auch noch Kandidaten geben."  Wahltag ist der 17. Februar. Es sei Zufall, dass auch genau an diesem Tag die zugehörige Bundespartei gegründet werden soll, ergänzt Falck. Seine eigentliche Aufgabe sei dann mit der Wahl beendet. 

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Der Gasthof in der Altstadt von Nagold ist aber auch noch aus einem anderen Grund durchaus symbolisch für den aktuellen Standpunkt der Werteunion. Wenige Tage vor dem Stammtisch hat hier eine örtliche Gruppe der AfD ein Treffen organisiert. Ein Treffen, das auch für eine Gegendemonstration vor dem Gasthof gesorgt hatte. Im Gasthof geben sich AfD und Werteunion also bereits die Klinke in die Hand.

Werteunion möchte auch mit der AfD sprechen

Etwas, das man auf Seiten der Werteunion explizit nicht vermeiden möchte. Im Gegenteil: Man wolle ganz bewusst miteinander reden und zwar mit allen. Das bedeute eben auch das Gespräch mit der AfD. Das sei eine gute demokratische Übung, erklärt Falck vor dem Gasthof. Und er ergänzt: Die Idee einer Brandmauer rechts der CDU wolle man nicht. Die Brandmauer habe dafür gesorgt, die Gesellschaft zu spalten.

Auch darüber hinaus ist durchaus Gesprächsbedarf vorhanden. Eine Dame mittleren Alters kommt hinzu und berichtet, dass sie früher in der CDU gewesen sei. Diese sei für sie aber schon lange keine Heimat mehr. Woran das liege? "Ich sage es mal so: Die CDU ist mir zu woke", erklärt die Frau.

Sie sei eine Konservative, aber eben keine Rechte und schon gar nicht rechtsextrem. Sie sei Lehrerin und habe mehrere Enkel und sei besorgt um das Land und die Entwicklung. Deshalb wolle sie sich bei der Werteunion engagieren. Man müsse auch diskutieren, wie man aus der Spaltung der Gesellschaft wieder herauskomme und warum es so schwer sei, einen Arzttermin zu bekommen. Auch über Migration müsse man reden und über die Tatsache, dass man nicht die ganze Welt hier aufnehmen könne.

Landesgeschäftsführer: CDU-Mitglieder bleiben Partei treu

Bei der CDU gibt man sich zum Thema Werteunion selbstbewusst. Es gebe aktuell keine Mitglieder, die die CDU in Richtung Werteunion verließen, erklärt der neue Landesgeschäftsführer Tobias Vogt gegenüber dem SWR. 

In seinem Wahlkreis habe es zwar eine Handvoll Mitglieder gegeben, die mit dem Verein sympathisiert hatten. Diese seien aber alle wieder überzeugte CDU-Mitglieder.

Die CDU habe geliefert, auch für konservativ denkende Menschen: Dafür stehe das neue CDU-Grundsatzprogramm der Bundespartei und die "Agenda der Zuversicht" des Landesvorsitzenden Manuel Hagel. Da seien auch konservative Mitglieder begeistert, erzählt Vogt. Das mit der Werteunion beobachte man zwar, aber es sei ihm wichtig, klarzustellen, dass die CDU mit der "Maaßentruppe" nichts zu tun habe. Die Brandmauer gegen die AfD gelte weiter, sagt Vogt. "Die CDU ist die Brandmauer gegen die AfD!"

Etwas anders sieht das Alexander Mitsch, CDU-Mitglied aus dem Rhein-Neckar-Kreis. Er hatte die Werteunion vor gut sieben Jahren als Vereinigung innerhalb der CDU mit der Hoffnung mitgegründet, eine anerkannte Bewegung innerhalb der CDU zu werden. Die Werteunion sollte eine Gruppierung analog zur Jungen Union oder zur Frauen-Union werden. Diese formelle Anerkennung blieb der Werteunion allerdings nicht nur unter Angela Merkel versagt, sondern auch unter dem aktuellen CDU-Parteichef Friedrich Merz.

Mitgründer der Werteunion sieht ungenutztes Potential

Daher sieht Mitsch nach wie vor ungenutztes Potential rechts der CDU: Es gebe viele Menschen, die sowohl der Ampel als auch der CDU nicht zutrauen, die Probleme zu lösen. "Man will aber mit gutem Recht die teilweise rechtsextreme AfD nicht wählen. Und was tut man dann?", fragt er. "Dann hat man eigentlich nur die Alternative, nicht mehr wählen zu gehen oder es muss eine Partei dazwischen sein. Ich glaube, die Werteunion könnte diese Lücke ausfüllen."

Auch der Politikwissenschaftler Marc Debus von der Universität Mannheim sieht Wählerpotential rechts der CDU. Wählerinnen und Wähler, die unzufrieden mit der AfD seien, aber eben auch mit der CDU. Gerade wenn es um die Themen Migration oder Verteidigung gehe. Allerdings sei es für neue Parteien extrem schwierig, sich zu etablieren und deren Potential in Prozentpunkten zu berechnen, so Debus.

Politikwissenschaftler: Hochrechnungen nur Momentaufnahmen

Außerdem sei auch durch eine Parteigründung am linken Rand mit dem neu gegründeten Bündnis Sarah Wagenknecht mit Verdrängungsbewegungen zu rechnen. In jedem Fall seien Hochrechnungen aktuell nur Momentaufnahmen, an denen sich noch viel verändern könne. Auch weil Dynamiken an den Rändern zu Mobilisierungen in der Mitte führen könnten, erklärt Debus.

Zurück am Nagolder Gasthaus. Es ist kurz nach 22 Uhr. In den Restauranträumen gehen langsam die Lichter aus, während im Hinterzimmer immer noch getrunken und geredet wird. Nur vereinzelt verlassen Besucher das Gebäude durch den Hinterausgang. Unter ihnen ist auch ein Physiker, der in Köln ein Start-Up gegründet hat und in Baden-Württemberg zu Hause ist. Sehr angetan sei er von dem Stammtisch. So stelle er es sich vor, Politik zu machen.

Dazu gesellt sich ein Hotelgast des Gasthofs, der noch zu später Stunde eine Runde mit dem Hund unterwegs ist. Er komme aus Bayern und habe mitbekommen, dass die Werteunion an dem Abend einen Stammtisch mache. Es sei dringend nötig, dass es Alternativen in der Politik gebe, sagt er. Und: Er wäre tatsächlich gerne zu dem Stammtisch dazu gekommen. "Schade", sagt er, dass es eine geschlossene Gesellschaft gewesen sei.

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Christian Susanka