Vier Tage arbeiten, drei Tage frei: Die Vier-Tage-Woche als Arbeitszeitmodell wird aktuell viel und kontrovers diskutiert - und teilweise auch schon umgesetzt. In Baden-Württemberg bietet beispielsweise die Stadt Mengen (Kreis Sigmaringen) seit vergangenem Sommer seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung dieses Modell an.
Deutschlandweit startet im Februar nun ein Pilotprojekt, bei dem das Modell Vier-Tage-Woche getestet und wissenschaftlich ausgewertet werden soll. Daran beteiligen sich 45 Unternehmen in ganz Deutschland. Sie kommen aus den Bereichen Industrie, Handel, Unterhaltung, Energieversorgung und IT und haben sich in den vergangenen Wochen intensiv auf das Projekt vorbereitet. Etwa ein halbes Dutzend der teilnehmenden Firmen kommt aus Baden-Württemberg.
Testphase dauert sechs Monate
Beim Großteil der Betriebe handelt es sich um kleine Unternehmen mit weniger als 49 Mitarbeitenden. Aber auch Kleinstunternehmen, mittlere Betriebe und Großunternehmen ab 250 Mitarbeitenden sind dabei. Die Vier-Tage-Woche wird sechs Monate lang in zwei Gruppen getestet, von Montag bis Donnerstag oder von Dienstag bis Freitag - und das bei vollem Lohnausgleich.
Dabei wird die wöchentliche Arbeitszeit reduziert. Um wie viel, können die Unternehmen selbst entscheiden. Laut der Universität Münster, die die Studie wissenschaftlich begleitet, sinkt die Arbeitszeit um 10 bis 20 Prozent. Das heißt, in manchen Unternehmen bleibt die tägliche Arbeitszeit unverändert, in anderen wird pro Tag etwas länger gearbeitet, nämlich bis zu neun Stunden.
Einige der Unternehmen testen die Vier-Tage-Woche bereits seit Anfang des Jahres, der Großteil startet im Februar, und einige brauchen etwas mehr Zeit, um ihre Vorbereitungen zu vertiefen. Sie steigen im März ein.
Mannheimer Unternehmen sieht Chance für die Gesundheit
Begleitet wird das Projekt von einer Berliner Beratungsfirma, die den Aufruf gestartet hat und die beteiligten Firmen betreut. Nach Angaben der Agentur nehmen die meisten Unternehmen am Pilotprojekt teil, weil sie die Mitarbeiterbindung und die Arbeitgeberattraktivität stärken möchten.
So zum Beispiel ein Logistik-Dienstleister aus Mannheim. Das Unternehmen berät seit vielen Jahren Firmen, die sich räumlich verändern wollen, gestaltet Büros und organisiert Umzüge. Zur Teilnahme an dem Pilotprojekt sagte Geschäftsführer Martin Kübel dem Hessischen Rundfunk: "Dass es eine Riesenanstrengung für uns als Organisation bedeuten wird, ist uns bewusst. Aber übergelagert ist die Chance, dass wir wirklich mehr Freizeit zur Verfügung stellen können und wir uns auch gesundheitlich entwickeln können." Damit blickt Kübel vor allem auf die steigende Zahl psychischer Erkrankungen im Job.
Wissenschaftliche Begleitung durch die Uni Münster
Die Universität Münster begleitet das Projekt wissenschaftlich, die teilnehmenden Unternehmen sollen durch Trainings und Netzwerktreffen beim Experiment unterstützt werden.
In anderen Ländern sind ähnliche Studien bereits gelaufen. In Großbritannien nahmen 61 Unternehmen mit rund 2.900 Beschäftigten an einem Pilotprojekt teil, 56 davon gaben an, die Vier-Tage-Woche auch nach dem Ende der Testphase beibehalten zu wollen. In dem Projekt verringerten sich die Krankheitstage im Schnitt um rund zwei Drittel und die Zahl der Angestellten, die kündigten, ging um 57 Prozent nach unten. Zudem stellten die Forschenden aus Boston und Cambridge eine Umsatzsteigerung von rund 1,4 Prozent fest.
In einer weiteren internationalen Studie, bei der eine Vier-Tage-Woche mit 32 Stunden Wochenarbeitszeit in 33 Unternehmen untersucht wurde, stieg die Produktivität der Beschäftigten und ebenso die persönliche Zufriedenheit vieler Mitarbeitenden.
Vier-Tage-Woche bei Arbeitgebern umstritten
In Deutschland sind Modelle zur Arbeitszeitverkürzung vor allem auf Arbeitgeberseite umstritten. Unternehmen argumentieren, dass sie wegen des Fachkräftemangels kein neues Personal fänden, um die fehlende Arbeitszeit auszugleichen. Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hat sogar längere Arbeitszeiten nach Schweizer Vorbild gefordert.
Sein Kollege Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) weist darauf hin, dass die Unternehmen in den Studien meist aus dem Dienstleistungssektor kommen, wo Arbeitszeitänderungen leichter möglich seien. "Eine Übertragung der Resultate auf alle Branchen, Unternehmen und Länder wäre nicht seriös", so Fratzscher. Er rät aber, "dass sich Politik und Wirtschaft für mehr Flexibilität und für neue Modelle des Arbeitslebens öffnen sollten".
In der schon genannten Stadt Mengen bleibt die Wochenarbeitszeit von 39 Stunden für Angestellte und 41 Stunden für Beamtinnen und Beamte auch bei der Vier-Tage-Woche bestehen. Man muss daher pro Tag länger arbeiten. Außerdem kann man aus organisatorischen Gründen nur am Freitag freinehmen. Es sei aber durchaus der Wunsch vieler Mitarbeiter, den Freitag als verlängertes Wochenende zu nutzen, sagte eine Sprecherin der Stadt.