Antipsychotika werden im Universitätsklinikum Ulm ausgegeben. Das Präparat wird in Tablettenboxen verteilt. An der Antipsychotika-Studie hat das Universitätsklinikum Ulm gemeinsam mit dem Leipniz Institut in Bremen, dem Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung in Berlin und der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg gearbeitet.

Studie der Uniklinik Ulm

Kinder und Jugendliche bekommen öfter Antipsychotika verschrieben

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Justus Madaus
Justus Madaus

Immer mehr Kinder und Jugendliche bekommen Medikamente gegen psychische Erkrankungen verschrieben. Das Universitätsklinikum Ulm spricht von einem besorgniserregenden Trend.

Heranwachsende bekommen 17 Prozent häufiger als vor zehn Jahren Antipsychotika verschrieben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Universitätsklinikums Ulm zur Verordnung von Medikamenten gegen psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Antipsychotika sind Medikamente zur Behandlung von beispielsweise Schizophrenie. Sie werden vermehrt aber auch bei Unruhe, Angst und Schlafstörungen verordnet.

Der Trend sei besorgniserregend, heißt es in einer Mitteilung der Uniklinik Ulm: Es sei zu wenig darüber bekannt, wie sich die Medikamente langfristig auf die Gesundheit der jungen Leute auswirke. Der Anstieg der Verschreibungen wurde zwischen 2011 und 2020 gemessen, besonders bei Mädchen.

Mehr Antipsychotika bei Kindern wegen Mangel an Therapieplätzen

Die vermehrte Verschreibung von Antipsychotika hängt für Professor Jörg Fegert, Leiter der Klinik für Kinder-​ und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Ulm, auch mit fehlenden Therapieplätzen zusammen. "Wir haben ja in der ganzen Kinder- und Jugendpsychatrie in Deutschland relativ hohe Wartezeiten. Das heißt, man ist vielleicht auch stärker versucht, erst einmal mit einem Medikament zu überbrücken, wenn man auf Psychotherapieplätze wartet. Denn in der gleichen Zeit ist die Versorgung mit Psychotherapie nicht angestiegen."

Verschiedene Antipsychotika Medikamente und eine Tablettenbox liegen in einer Plastikschale. Um die Behandlung von Kindern und Jugendlichen in Zukunft sicherer zu machen könnten laut Forschenden der Uniklinik Ulm beispielsweise Schulungen für Verschreiber von Antipsychotika in Betracht gezogen werden.
Um die Behandlung von Kindern und Jugendlichen in Zukunft sicherer zu machen, könnten laut Forschenden der Uniklinik Ulm beispielsweise Schulungen für Verschreiber von Antipsychotika in Betracht gezogen werden.

Ein Ergebnis der Studie bereitet Jörg Fegert große Sorgen: Besonders bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren hat die Einnahme des Antipsychotikums Quetiapin stark zugenommen. "Ein Medikament, das eigentlich gegen Psychosen, gegen manisch-depressive Erkrankungen hilft und das sehr häufig bei leichter Depression verschrieben wird", so Fegert. Bei einem Großteil aller Patientinnen, denen Quetiapin verschrieben wurde, ist es demnach zur Behandlung von Depressionen eingesetzt worden. Aktuelle Studien zeigen die Risiken dieses "atypischen" oder "modernen" Medikaments. Negative Veränderungen und schwerwiegende Effekte auf das Herz-Kreislauf-System können demnach selbst bei niedrig dosiertem Gebrauch auftreten.

Behandlung mit Antipsychotika bei Kindern "im Auge behalten"

Die Folgen von Corona ließen einen weiteren Anstieg der Verschreibungen erwarten. "Je mehr Schulschließungen, je restriktiver die Maßnahmen waren, je stärker hat sich das ausgewirkt." Bei den Mädchen habe sich dies laut Jörg Fegert klinisch ausgewirkt, "die haben dann wirklich behandlungsbedürftige Störungen bekommen."

Den Anstieg von Antipsychotika bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen müsse man, auch aufgrund der Nebenwirkungen, im Auge behalten. Auch die Sicherheit gelte es weiter zu untersuchen. "Wir brauchen in der gesamten Bevölkerung mehr Wissen über psychische Gesundheit und da gehört auch Wissen und Aufklärung über Medikamente hinzu", sagt Professor Fegert und empfiehlt Schulungen für die Ärztinnen und Ärzte, die Antipsychotika verschreiben. Im internationalen Vergleich stehe Deutschland aber noch gut da, so Fegert.

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