Als er acht Jahre war, infizierte er sich durch eine Blutkonserve mit HIV und Hepatitis C, kurz HCV. Heute ist Michael Diederich aus Ulm 48 Jahre alt, Vorsitzender des Verbands der Opfer des Blutskandals und hat den Kampf gegen die Krankheiten gewonnen. Am Samstag veranstaltete sein Verband mit vielen anderen Unterstützern einen Aktionstag in Ulm, bei dem man sich kostenlos auf HCV testen konnte.
Es ist Samstagmittag, 12 Uhr. Die ersten Menschen betreten das M25 hinter dem Ulmer Münster. Ein grünes Banner hängt über dem Eingang: "Heute hier und anonym: Gratis Hepatitis C-Test". Michael Diederich strahlt: "Es freut mich wirklich, dass die Aktion so einen Anklang findet." Das ganze Team sei gespannt gewesen, wie viele Menschen wirklich vorbeikommen würden. Viele lassen sich nicht nur testen, sondern sind auch interessiert an Michael Diederichs Geschichte.
Als Kind mit Hepatitis C und HIV infiziert
Weil er an Hämophilie leidet, besser bekannt als Bluterkrankheit, war Michael Diederich als Kind auf Blutplasmaspenden angewiesen. In der Kindheit wurde er plötzlich oft krank, niemand wusste warum. Später fand Michael Diederich heraus: Er wurde durch das Spenderblut mit HIV und mit HCV infiziert und somit Opfer des sogenannten Blutskandals. Demnach wurden laut der Deutschen Hämophiliegesellschaft in den 1970er- und 80er-Jahren rund 4.500 Blutkranke durch verunreinigte Präparate mit HIV und/oder Hepatitis C-Viren infiziert.
Michael Diederich hatte beide Viren. Als er 17 Jahre alt war, brach bei ihm Aids aus. "Bis ich 19 war, sah es richtig schlecht für mich aus", erzählt er. Er musste zeitweise 26 Tabletten am Tag nehmen. Die Therapie schlug an. Jetzt ist er seit mehr als 20 Jahren unter der Nachweisgrenze der Virenlast.
Schwere Spätfolgen bei Hepatitis C-Virus
Hepatitis C brach bei dem Ulmer nie aus. 2014 machte er eine Therapie, seitdem ist er geheilt und das Virus wird unterdrückt. Das Heimtückische aber an HCV sei: "Das Virus kann jahrzehntelang symptomlos sein und dann ist es für die Betroffenen vielleicht zu spät", sagt Diederich. Das Virus kann die Leber angreifen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) entwickeln 16 bis 20 Prozent der Menschen mit chronischer Hepatitis C nach 20 Jahren eine Leberzirrhose.
Michael Diederich zeigt auf einen Herrn, der am Eingang sitzt und die Menschen begrüßt: "Ihm erging es so." Eckhardt "Ecki" Hummel hat Leberkrebs. Im fortgeschrittenen Stadium. Der Hesse, auch Opfer des Blutskandals, unterstützt an diesem Samstag seine Verbandsmitglieder in Ulm. Zurzeit macht er eine Immuntherapie. Ihm gehe es "stabil schlecht", seine Zeit sei begrenzt. Und damit ist er nicht der einzige in seinem Verband.
"Wir haben in den letzten Jahren deswegen vier Mitglieder verloren", sagt Lynn Sziklai. Seit neun Jahren ist sie die Partnerin von Michael Diederich. Kennengelernt haben die beiden sich im Rahmen der Präventionsarbeit der Ulmer Aidshilfe. "Ohne sie würde das alles hier gar nicht funktionieren", sagt Diederich über seine Partnerin.
Ziel von WHO und Bund: Hepatitisfrei bis 2030
Lynn Sziklai hat den Aktionstag an diesem Samstag im M25 mitorganisiert. Sie spricht mit Interessierten, rennt von einem Stand zum nächsten, hat alles unter Kontrolle. Die Gratistestung ist Auftakt einer bundesweiten Aktion. Im Mai soll es nach Köln gehen. "Das Thema Hepatitis C ist noch nicht wirklich in der Medizin und in der Gesellschaft angekommen", sagt Sziklai. Die WHO sowie das Bundesministerium für Gesundheit haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 hepatitisfrei zu sein. "Und wir dachten, wir fangen einfach in unserer Heimatstadt Ulm damit an."
"HCV geht alle an" heißt die Kampagne. Es gehe nicht nur um die Risikogruppen. Denn oft werde Hepatitis C mit Drogenkonsum in Verbindung gebracht. Nur 20 Prozent können sagen, wie sie sich angesteckt haben. 80 Prozent wüssten es nicht, sagt Lynn Sziklai. Der Verband der Opfer des Blutskandals wolle mit dieser Aktion die allgemeine Gesellschaft aufklären und Stigmatisierung abbauen. Man werde genau wie bei HIV in eine Schublade gesteckt, sagen Sziklai und Diederich.
Verband organisiert kostenlose Tests in Ulm
An diesem Samstag lassen sich rund 70 Personen testen. "Das ist richtig, richtig gut", sagt Lynn Sziklai. Testen sei wichtig. Dabei sei die kostenfreie, einmalige Untersuchung für alle Krankenversicherten ab 35 Jahren definitiv zu spät. Je früher Hepatitis C entdeckt werde, desto besser stehen die Chancen auf Heilung, so Michael Diederich. Außerdem sei es eine gute Leberkrebsvorsorge.
Michael Diederich und Lynn Sziklai: Ein Paar, das zusammen kämpft
"Bezüglich meiner HIV- oder HCV-Erkrankung geht es mir soweit gut", sagt Michael Diederich. Aber durch die unzähligen Therapien und Medikamente habe er nicht die Kraft wie ein gesunder Mensch. "Umso dankbarer bin ich, dass Lynn an meiner Seite ist." Woher Lynn Sziklai ihren Kampfgeist nimmt? "Ich liebe ihn und kämpfe bis zum Schluss. Ich hab' die Energie und kann dafür sorgen, dass ein würdevoller Umgang mit den Betroffenen stattfinden kann. Und dass sie in Würde alt werden können."