Interview mit Ernst-Wilhelm Gohl

Melchior-Figur: Münster-Dekan bekommt Hassmails

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Seitdem bekannt wurde, dass die Heiligen Drei Könige im Ulmer Münster in diesem Jahr nicht aufgestellt werden, bekommt der Ulmer Münster-Dekan Ernst-Wilhelm Gohl wütende und hasserfüllte E-Mails. Ein Gespräch.

Melchior-Figur der Weihnachtskrippe im Ulmer Münster
Eine problematische Darstellung, die Figur unterstreiche Stereotype, die man heute als rassistisch bezeichnen muss, sagt Dekan Ernst-Wilhelm Gohl.

SWR: In der Weihnachtskrippe im Ulmer Münster wird dieses Jahr keiner der drei Könige zu sehen sein. Damit verschwindet auch der schwarze König Melchior. Was für Mails und Zuschriften erreichen Sie in dem Zusammenhang gerade?

Ernst-Wilhelm Gohl: Der Großteil sind wirklich wütende E-Mails, manche sind auch wirklich extrem unterirdisch. Mails aus Österreich habe ich bekommen, wir würden Krippen verbieten, Weihnachtskrippen, und was denn da los wäre? Ich wundere mich, welche Aggressivität in unserer Gesellschaft herrscht, dass man nicht mal aushält, wenn einer eine andere Position hat und man sich damit vertraut macht. Warum machen die das - diese Frage stellt überhaupt niemand. Wenn man mal auf diesem Wutgleis ist, dann hat man echt schlechte Karten mit Argumenten.

Kann es sein, dass manche nicht verstehen, worum es bei dieser Rassismus-Debatte eigentlich geht?

Ja, da müssen wir uns durchaus selbstkritisch fragen, wie hätten wir es besser kommunizieren müssen? Eigentlich wollten wir in Ruhe nach der September-Sitzung, nachdem der Kirchengemeinderat beschlossen hatte, die Drei Könige diesmal nicht aufzustellen, im Oktober diskutieren: Wie kommunizieren wir das richtig? Diese Möglichkeit hatten wir jetzt nicht und mussten einfach im laufenden Betrieb dazu Stellung nehmen.

Muss Kirche nicht gerade da ihre Tore weit öffnen und über Gottesdienste hinaus versuchen zu erklären, worum es eigentlich geht?

Natürlich, das versuchen wir ja auch. Darum geht die Debatte - dass sich schwarze Christen durch diese Darstellung, nicht allgemein durch den Mohr, sondern nur durch diese Ulmer Darstellung herabgewürdigt fühlen.

Hätte es aber bei der Weihnachtskrippe im Ulmer Münster nicht auch ein Schild getan mit Erläuterungen - wie beispielsweise bei dem Erzengel im Münster?

Das haben wir uns auch überlegt. Doch ich glaube, es sind ganz unterschiedliche Kategorien - der Engel Michael und eine Krippe in der Weihnachtszeit. Eine Krippe in der Weihnachtszeit hat eine liturgische Funktion. Die soll zur Andacht führen. Diese Andacht wird natürlich verhindert, wenn da eine Figur drin ist, die man im Jahr 1920 lustig gefunden hatte, die aber heute schwarze Menschen als verletzend empfinden. Das macht den Riesenunterschied. Im Museum kann ich die ausstellen und auch erklären. Aber hier soll die Figur einladen zur Andacht, das ist mit so einer Figur schlecht möglich. Christlich tradiert heißt es ja: Der Mohr und die beiden anderen Figuren stehen für die damals drei bekannten Kontinente Europa, Asien, Afrika. Klar: Europa und Asien, die werden hell dargestellt, der Afrikaner ist natürlich schwarz. Das ist ja die Botschaft: Gott macht keinen Unterschied. Aber wenn das konterkariert wird dadurch, dass Menschen, für die dieser schwarze König steht, sich durch ihn lächerlich gemacht fühlen, das können wir nicht einfach ignorieren.

Wird es denn gar keine Heiligen Drei Könige mehr geben in der Krippe im Ulmer Münster?

Natürlich wird es wieder Könige geben in der Krippe. Die gehören zur Krippe dazu. Das ist doch auch Weihnachten. Das Weihnachtsfest ist doch nicht, dass wir die Tradition feiern, sondern dass wir uns immer wieder neu überlegen: Was ist uns mit Weihnachten geschenkt?

Diskussion um Figur des Melchior Rassismus-Debatte: Ulm verbannt Heilige Drei Könige aus der Krippe des Münsters

Die evangelische Münstergemeinde in Ulm hat die Heiligen Drei Könige aus ihrer Weihnachtskrippe verbannt. Im Zuge der Rassismus-Debatte wolle man den schwarzen König Melchior so nicht zeigen, hieß es.

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SWR

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