5.000 Buchhandlungen gibt es derzeit bundesweit, doch Jahr für Jahr werden es immer weniger. Auch wegen der starken Konkurrenz von Online-Riesen wie Amazon und Bücherketten wie Thalia. Umso erfreulicher dass sich die Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm behaupten kann. Und das, obwohl die engagierten Inhaber nach 34 Jahren in Ruhestand gehen. Die Nachfolge ab 1. Juli ist gesichert: Ein Ehepaar aus Norddeutschland hat sich dafür extra auf das Schwabenland eingelassen.
Die beiden neuen Inhaber wagen das Abenteuer "Buchhandlung" als Quereinsteiger: Christine Berenbeck, ursprünglich Ärztin, und der Journalist Sebastian Lehmann sind schon von der Elbe an die Donau umgezogen. Das Ehepaar aus Hamburg hat zuerst bundesweit nach einer passenden Buchhandlung und dem richtigen Zeitpunkt gesucht.
Da sei die Donaustadt auf den ersten Blick schon verlockend gewesen, erklärt Lehmann. "Hier war das bei weitem interessanteste Geschäft." Beides sollte passen: sowohl die Buchhandlung als auch der Ort. "Wir haben eine kleine Deutschland-Tour gemacht", erzählt Christine Berenbeck, "und dabei ist Ulm und Jastram herausgekommen."
Ulm verlockt als Kontrastprogramm zu Hamburg
Hamburg sei zwar eine tolle Stadt und jahrzehntelang ihre Heimat gewesen, beteuert das norddeutsche Paar, aber sie wollten gerne mal etwas Neues erleben. "Wenn wir schon Hamburg verlassen, wollten wir auch wirklich das Kontrastprogramm, auch was die Landschaft angeht", erklärt die 59-Jährige. Da sei Ulm in Süddeutschland vielversprechend. Und die Gegend rund ums Münster, wo das Paar auch eine Wohnung gefunden hat, sei durchaus "urban". Die Stadt sei "sehr lebendig und gar nicht provinziell."
Keines der Vorurteile, "das man gegen Schwaben haben könnte, wenn man aus dem Norden kommt, scheine hier zu stimmen", erklärt der 54-jährige Lehmann. Die Menschen in Ulm seien "sehr offen, kulturinteressiert und selbstbewusst." Und kulinarisch? Maultaschen und Spätzle kannte das Paar schon lange vor ihrem Umzug in die Donaustadt.
Taschentücher bei Jastram in Ulm hängen schon zum Trocknen
Den Wiltscheks fällt der Abschied nach 34 Jahren nicht leicht. Davon zeugen auch die vielen Taschentücher, die symbolisch zum Winken oder Tränenwischen im Schaufenster baumeln. "Die hängen da schon zum Trocknen", beteuert der bisherige Inhaber Samy Wiltschek. "Es ist natürlich geschummelt", ergänzt er schmunzelnd, "aber es gab schon ab und zu ein feuchtes Auge."
Als Ehepaar mit kleinen Kindern hatten die Wiltscheks 1990 die kleine, feine Buchhandlung mit rund 100 Quadratmetern in der Ulmer Altstadt übernommen. Benannt blieb sie nach Erika Jastram, die sie bereits 1952 gegründet hatte. Eine treue Stammkundschaft oft schon in der zweiten Generation gehört offenbar zum Erfolgsrezept.
"Die Kundschaft ist unfassbar interessant", bestätigt Sebastian Lehmann. Die gut laufende Sortimentsbuchhandlung, "die es so viele Jahre schon gibt und viele andere überlebt hat, lässt natürlich hoffen," betont der 54-Jährige. Gemeinsam mit Co-Inhaberin und Ehefrau Christine Berenbeck will er Jastram als "Mehrgenerationen-Buchhandlung" weiterführen. Mit einer guten Auswahl an Belletristik, Biographien und Kinderliteratur. Auch philosophische oder politische Sachbücher zu aktuellen Themen hätten sich bewährt.
Das Risiko, sich mit Mitte 50 auf die nicht ganz einfache Buchbranche einzulassen, schreckt die beiden keineswegs. "Risiko sei ja per se nicht etwas, was nicht auch ein Antreiber sein und was auch Spaß machen kann", zeigt sich Berenbeck optimistisch. Und ihr Geschäftspartner und Ehemann fügt hinzu: "Das Buch ist so oft tot geredet worden, aber es hat sich nie bewahrheitet."
Die erste Lesung nach dem Inhaberwechsel steht auch schon fest: am 16. Juli um 19 Uhr mit Sachbuchautor Loel Zwecker: "Die Macht der Machtlosen - eine Geschichte von unten".
Nach Jastram: Wiltscheks freuen sich auf freie Zeit, zu lesen
Die scheidenden Ulmer Buchhändler Wiltschek, die beide bald 66 Jahre alt werden, freuen sich auf den Ruhestand und Zeit für die Enkel. Wenn die 60-Stunden-Woche ab 1. Juli vorbei ist, wollen beide auch ohne Zeitdruck wieder nach Lust und Laune in neuen oder alten Lieblingsbüchern schmökern. "Darauf freuen wir uns", sagt Claudia Wiltschek schmunzelnd. "Wir müssen jetzt nicht mehr lesen, wir dürfen lesen."