Das Krisenjahr 2022 hat die Zahl politisch motivierter Straftaten in Baden-Württemberg steigen lassen. Nach Angaben des Innenministeriums lagen die Straftaten mit politischem Hintergrund auch im vergangenen Jahr auf einem hohen Niveau. In den ersten drei Quartalen des Jahres sei die Zahl im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 3.587 Fälle (2021: 3.530) leicht gestiegen. Oft wurde dabei vor allem gegen das Versammlungsgesetz verstoßen, zum Beispiel durch unangemeldete Proteste gegen die Auflagen in der Corona-Pandemie.
Innenminister: "Aus Worten werden Taten"
"Aus hasserfüllten Gedanken werden Worte und aus Worten Taten", warnte Innenminister Thomas Strobl (CDU), der die endgültigen Zahlen für das Jahr in den kommenden Monaten vorlegen will. Anfeindungen, Ausgrenzungen und Beleidigungen gehörten ebenso dazu wie bedrohliche Situationen wie Beschädigung von Eigentum, Gewalttaten oder gar terroristische Anschläge. "Politisch motivierte Taten treffen Einzelne, doch sie zielen auf uns alle", sagte der CDU-Politiker. "Sie richten sich gegen Andersdenkende, Andersaussehende und Andersgläubige." Allerdings fange es bereits beim Wegschauen, beim Weghören und beim Verharmlosen an, mahnte er.
Insbesondere die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hätten die Täter motiviert, sagte ein Sprecher des Innenministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Die anhaltenden gesellschaftlichen Herausforderungen seien so etwas wie ein Stresstest für die gesellschaftliche Mitte. Populistische oder auch extremistische Akteure versuchten, die Unsicherheiten und Existenzsorgen zugunsten der eigenen Ziele politisch zu instrumentalisieren, so der Sprecher weiter.
Verbreitung von neuen Verschwörungsideologien
Ließen sich die politisch motivierten Straftaten bislang vor allem in Kriminalität von links oder rechts einteilen, so verschwimmt dieses Schema zunehmend: "Insbesondere im Kontext der Corona-Pandemie nimmt die Verbreitung von teils relativ neuen Verschwörungsideologien eine zentrale Rolle ein", erläuterte das Innenministerium. "Das Angebot von vermeintlich einfachen Lösungen und klaren Freund-Feind-Bildern findet besonders in Zeiten anhaltender gesellschaftlicher Herausforderungen Zulauf." Mehr als die Hälfte der politisch motivierten Straftaten lasse sich mittlerweile nicht mehr einer speziellen Seite zuordnen.
Ukraine-Krieg als Grund für Straftaten
Ebenfalls deutlich gestiegen seien die Zahlen bei den Straftaten, die im Zusammenhang mit einer ausländischen Ideologie verübt wurden. Gründe seien zum einen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, zum anderen der Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden. Hierbei handelt es sich laut Ministerium überwiegend um Sachbeschädigungen, Beleidigungen, Bedrohungen und die öffentliche Verwendung des "Z-Symbols", das rund um den Ukraine-Krieg für Schlagzeilen sorgt.
Allerdings betonte das Innenministerium, die größte Gefahr gehe keineswegs von dieser Seite aus: "Die größte Gefahr bleiben freilich Einzeltäter des dschihadistischen Extremismus und gewalttätigen Rechtsextremismus", sagte der Sprecher.