"Hochschule im Dialog" in Rottenburg

Kein Aufatmen für den Wald: Vom Waldsterben in den 80ern zur Klimakrise heute

Stand
Autor/in
Anna Priese
Anna Priese ist Reporterin für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Saurer Regen und Luftverschmutzung, das waren die Ursachen für das Waldsterben in den 80er Jahren. Und heute? Erinnerungen und Gespräche in Rottenburg.

Trockenheit setzt unseren Wäldern heute zu. Schädlinge wie der Borkenkäfer verbreiten sich und machen Förstern und Wissenschaftlern Sorgen. Dem Wald geht es also schlecht. Aber das ist eigentlich nichts Neues. Schon Anfang der 80er Jahre bangte man um den Wald. Ein Wald-Experte sagte es 1981 klipp und klar:

Die ersten großen Wälder werden schon in den nächsten fünf Jahren sterben.

Auch Jürgen Schäffer, Professor an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg, erinnert sich: "Die Prognosen waren apokalyptisch". Und sein Kollege Sebastian Hein ergänzte bei einer Diskussion am Mittwochabend in Rottenburg, dass die Stimmung sehr emotional aufgeladen war. Viele Medien griffen das Problem immer wieder auf. Bis schließlich 1983 der Spiegel titelte: "Der Wald stirbt."

Erinnerungen an Walter Trefz

Über 160 Menschen interessierten sich für das Waldsterben einst und jetzt und kamen nach Rottenburg zur "Hochschule im Dialog". Es ging um das Waldsterben in den 80er Jahren, was man daraus gelernt hat und wie es dem Wald heute geht. Buchautorin Annette Rieger hat ein Buch dazu geschrieben und daraus vorgelesen. Im Mittelpunkt steht dabei der im Schwarzwald bekannte Förster Walter Trefz, der sich schon frühzeitig für einen gesunden Wald eingesetzt hat - was nicht immer einfach war vor über 40 Jahren.

So berichtete der Süddeutsche Rundfunk (SDR) 1988 über den Förster Walter Trefz und das Waldsterben:

Schwarzwald war mit am meisten betroffen 

Immer mehr Bäume, insbesondere Fichten und Tannen, verloren ihre Nadeln und Blätter und starben ab. Besonders Wälder in höheren Lagen waren betroffen, darunter auch der Schwarzwald. Saurer Regen und Luftverschmutzung galten damals als die Hauptursachen für das Waldsterben. Förster Walter Trefz vom Kniebis und Olfert Dorka, der als Zeitzeuge am Mittwochabend in Rottenburg dabei war, organisierten in Freudenstadt 1983 eine Aktionskonferenz, um Druck auf die Politik auszuüben. Nötig war eine Verringerung der Schadstoff-Emissionen.  

2003: Waldsterben für beendet erklärt

Dafür gab es dann Lösungen. Rauchgas-Entschwefelungsanlagen wurden in Kraftwerke eingebaut und Katalysatoren in Autos. Bleifreies Benzin wurde eingeführt. Das zeigte Wirkung. Von 1992 bis 2022 haben sich die Schwefeleinträge in Baden-Württemberg deutlich verringert, erklärte Jürgen Schäffer. Nicht so allerdings die Stickstoff-Einträge, die dem Wald noch immer zu schaffen machen. 2003 jedenfalls erklärte Renate Künast, damals Bundeslandwirtschaftsministerin, das Waldsterben für beendet.

War die Aufregung der 80er also zu groß gewesen? Vielleicht schon ein bisschen, meinte Zeitzeuge Olfert Dorka auf Nachfrage der Moderatorin des Abends, Susanne Henn vom SWR. Andererseits: geholfen hat es. Dennoch geht es dem Wald immer noch schlecht.

Vor 40 Jahren äußerten sich die Menschen in Freudenstadt so:  

In Zukunft andere Bäume im Wald

Forstwissenschaftler wie Sebastian Hein sind sich sicher, dass es in unseren Wäldern in 80 Jahren ganz andere Baumarten geben wird. Welche das sind, die dann überhaupt überleben können, sei unklar. Inzwischen sind übrigens in sämtliche Höhenlagen Waldschäden sichtbar. Früher breitete sich das Waldsterben ab etwa 800 Metern Höhe aus.

Damit war auch der Schwarzwald betroffen. Das habe in Baden-Württemberg die öffentliche Aufmerksamkeit erhöht. Hein wundert sich, warum die Aufmerksamkeit heute, wo die Zukunftsszenarien wissenschaftlich deutlich fundierter seien, kleiner ist. Vielleicht seien es heute einfach zu viele Probleme gleichzeitig: gesellschaftliche, politische und weltweite Krisen.

Podiumsdiskussion bei der "Hochschule im Dialog" in Rottenburg
Warum bekommen die Waldschäden durch den Klimawandel weniger öffentliche Aufmerksamkeit als das Waldsterben in den 80ern? Auch darüber wurde bei der "Hochschule im Dialog" in Rottenburg diskutiert.

In den achtziger Jahren war man sich einig: Die Industrie ist verantwortlich 

Der Freudenstädter Zeitzeuge Olfert Dorka sieht den Grund für die mangelnde Aufmerksamkeit so ähnlich wie Sebastian Hein:

Heute haben wir unglaublich viele Probleme und das ist der Unterschied von damals zu heute.

Das könne die Menschen überfordern. Revierförsterin Anne Merg hatte bei der Podiumsdiskussion noch eine andere Idee, warum es in den 80ern einfacher war, sich als Bürger zu engagieren. Damals habe es nämlich einen klaren Verantwortlichen gegeben: Die Industrie. Und die war zum Beispiel gefordert, Katalysatoren zu entwickeln und in Autos einzubauen. Heute jedoch müsste jeder Einzelne sein Verhalten ändern, um die Klimakrise und die Waldschäden aufzuhalten.

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