Das Baumsterben im Schwarzwald nimmt durch Hitzestress und Trockenheit dramatisch zu. Das zeigt eine Langzeitstudie der Uni Freiburg. Die Professoren Heinrich Spiecker und Hans-Peter Kahle, Experten für Waldwachstum und Dendroökologie, haben da die Jahre 1953 bis 2020 unter die Lupe genommen auf einer Fläche von rund 250.000 Hektar im Schwarzwald. Die Experten warnen vor einer immer stärkeren Zunahme von warm-trockenen Perioden als akuter Bedrohung für den Schwarzwald.
SWR Aktuell: Sie sind einer der Autoren dieser Langzeitstudie. Was ist das Besondere an der Studie?
Heinrich Spiecker: Das Besondere an dieser Studie ist, dass sie sich über einen sehr langen Zeitraum erstreckt. Insgesamt sind es 68 Jahre, in denen die Mortalität der Bäume, also das Absterben der Bäume, beobachtet werden konnte. Und zwar auf einer Fläche von 250.000 Hektar. Das ist auch wieder etwas Besonderes. Und jeder Baum, der dort abgestorben ist, ist tatsächlich verbucht worden.
SWR Aktuell: Was ist bei dieser Studie herausgekommen?
Spiecker: Ein sehr enger Zusammenhang zwischen der Witterung, das heißt des Wasserhaushaltes und der Mortalität. Hohe Temperatur und geringer Niederschlag fördern die Mortalität. Geringe Temperatur und hoher Niederschlag erhöhen die Vitalität der Bäume.
SWR Aktuell: Das heißt, Sie haben jetzt mit ihrer Studie wirklich einen Kausalzusammenhang herstellen können?
Spiecker: Dieser Kausalzusammenhang war tatsächlich das wichtigste Ergebnis. Und das zweite wichtige Ergebnis war, dass wir 140 Jahre zurückverfolgen konnten, dass die Temperaturen und Niederschläge noch nie so schlecht für die Bäume waren. Noch nie sind so viele Bäume abgestorben.
SWR Aktuell: Was ist denn eine normale Sterblichkeit von Bäumen und was eine Übersterblichkeit?
Spiecker: Normalerweise sterben so zwei bis fünf Prozent von dem, was zuwächst, ab, und in den letzten Jahren waren das vierzig Prozent. Als wir zum Ende des letzten Jahrhunderts über das Waldsterben gesprochen haben, da waren es maximal zehn oder zwölf Prozent. Also mit anderen Worten: So hohe Sterberaten haben wir bisher noch nicht erlebt.
Einzigartige Untersuchung zum Wachstum und zur Mortalität der Bäume
SWR Aktuell: Wie genau misst man eigentlich eine Sterblichkeit von Bäumen?
Spiecker: Wir haben sie am Volumen festgemacht, das aus dem Wald gekommen ist. Das wurde von den Förstern sehr sorgfältig registriert. Und dieses Volumen wird ins Verhältnis gesetzt zu dem Holzvolumen, was jährlich zuwächst. Und daraus kann man eine Sterblichkeitsrate ableiten, die in sich dann konsistent ist über die ganze Zeit hinweg. Und da haben wir eben festgestellt, dass diese Sterblichkeitsrate variiert. Wir haben günstige Witterungsverhältnisse mit feucht kühlem Wetter, und dann haben wir ungünstige Witterungsverhältnisse, die trocken und warm sind. Und da haben wir festgestellt, dass diese Witterungsvariationen sehr eng mit der Mortalität variieren. Wir haben allerdings auch festgestellt, dass die feucht-kühlen Perioden immer weniger ausgeprägt sind und die trocken-heißen Perioden immer extremer werden. Und genau das hat zu dem erhöhten Waldsterben geführt.
Hitze und Trockenheit führen zu Baumsterben
SWR Aktuell: Vielen wird ja auch noch bekannt sein, dass es ja schon mal ein Baumsterben gab. Es liegt 20 bis 30 Jahre zurück.
Spiecker: Ja, das war Ende des letzten Jahrhunderts. In den 1990er Jahren wurde das sehr intensiv diskutiert und man hat damals von einem Waldsterben gesprochen. Aber im Vergleich zu dem, was jetzt abgestorben ist, war das relativ wenig. Das Absterben heute ist viermal so hoch.
Das Interview führte SWR4-Moderatorin Nadine Zeller vom SWR Studio Freiburg.