23 Jahre nach einem Mafiamord in Italien ist ein mutmaßlicher Täter am frühen Mittwochmorgen in Bad Urach (Kreis Reutlingen) gefasst worden. Laut dem Landeskriminalamt soll der Italiener in der Region Kalabrien einen Mann umgebracht haben. Außerdem gehen die Ermittler davon aus, dass der Mann Verbindungen zur italienischen Mafia hat. Gegen ihn lag seit dem 23. August ein europäischer Haftbefehl aus Italien vor.
Verbindungen zur 'Ndrangheta
Die italienischen Behörden gehen davon aus, dass der 59-Jährige Mitglied der kalabrischen Mafia 'Ndrangheta ist. Im Jahr 2000 soll er mit anderen Mitgliedern einen Angehörigen eines rivalisierenden Clans in einer Kleinstadt in Kalabrien in einen Hinterhalt gelockt haben. Das Opfer wurde durch einen Kopfschuss getötet. Bei diesem Mord soll es sich um einen Racheakt für ein anderes Tötungsdelikt gehandelt haben, wie es hieß.
Der SWR hat einen Podcast produziert, in dem die Ndrangheta und ihre Verankerung in Baden-Württemberg eine Rolle spielt: MAFIA LAND erzählt die Geschichte eines Mannes aus Stuttgart, der nach außen das arbeitsreiche Leben eines italienischen Gastronomen führte, den die Kripo aber für den deutschen Arm der kalabrischen Mafia hält:
True Crime Podcast | 1. Staffel MAFIA LAND - Die unglaubliche Geschichte des schwäbischen Pizzawirts Mario L.
Ermittler sind überzeugt: Mario L., nach außen erfolgreicher Gastwirt, war in BW so etwas wie der "auswärtige Arm" der Ndrangheta, der größten kriminellen Organisation der Welt.
Weiterer Vorwurf: Kinderpornografie
Auf die Schliche gekommen ist man ihm wegen eines anderen Verdachts: Dem Festgenommenen wird der Besitz kinderpornografischer Schriften vorgeworfen, so die Polizei. Er wurde am Mittwochmorgen in seiner Wohnung in Bad Urach widerstandslos von Spezialkräften der Polizei festgenommen. Er sitzt in Untersuchungshaft und wird voraussichtlich an die italienische Justiz ausgeliefert. Dort erwartet ihn nach Angaben des Landeskriminalamts ein Prozess wegen vorsätzlicher Tötung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach Art der Mafia.
Der italienische Staatsangehörige hatte rund vier Jahre mit seiner Familie in Bad Urach gelebt, war einem Beruf als Angestellter nachgegangen und hatte sich nach außen hin völlig unauffällig verhalten.
Mafia in Bad Urach kein Einzelfall
Gerade in Bad Urach kam die Verhaftung eines mutmaßlichen Mafioso für die Ermittler wohl kaum überraschend. Laut dem deutsch-italienischen Journalisten und Mafia-Experten Sandro Mattioli ist längst bekannt, dass sich dort einige Vertreter der 'Ndrangheta aufhalten. Trotzdem müsse man keine vermehrten Mafia-Morde in Bad-Urach befürchten, sagte Mattioli dem SWR. Die Organisation gehe sehr strategisch vor und meide die Aufmerksamkeit, um ungestört ihre Geschäfte zu betreiben.
Risiko für Wirtschaftsunternehmen
Eine potentielle Gefahr sieht Mattioli allerdings darin, dass Mafia-Clans nach und nach beispielsweise Discounter-Ketten unterwandern könnten. Die Größe solcher Mittelstandsunternehmen sei für die Clans besonders attraktiv. In Italien habe es dieses Problem bereits mit der Kette Lidl gegeben, so Mattioli. Man müsse wachsam bleiben, dass so etwas nicht auch bei uns passiert.