Tierärztin Kathrin Jost aus Binzen (Kreis Lörrach) arbeitet zwölf Tage am Stück und fährt täglich bis zu 300 Kilometer, um zu den Landwirten zu kommen. Die Tierärztin und ihr Kollege sind die einzigen, die im Kreis Lörrach noch Nutztiere wie Kühe oder Schafe behandeln. Bei Notfällen kann es sein, dass sie zu spät kommen.
Vier Stunden warten bis der Tierarzt kommt
Landwirt Klaus Wetzel aus Utzenfeld im Kreis Lörrach hat rund 30 Milchkühe. An Weihnachten war eine seiner Kühe nach dem Kalben geschwächt, erzählt er. Ein Notfall. Doch er habe erst einmal herumtelefonieren müssen, bis er einen Tierarzt erreichte. Der Arzt sei dann allerdings zu dem Zeitpunkt in Neuenburg am Rhein, 40 Kilometer entfernt, gewesen und habe noch zwei andere Patienten auf der Liste gehabt. "Es dauerte dann bis um 19 Uhr bis der Tierarzt kam", erinnert sich der Landwirt. Und der Vorfall habe sich schon um drei Uhr mittags ereignet.
Bei Notfällen wird es für die Tiere kritisch - manchmal kommt die Hilfe zu spät
In dem Fall von Klaus Wetzels Kuh ist alles gut gegangen. Der Tierarzt kam noch rechtzeitig. Doch das ist nicht immer der Fall. Im Kreis Lörrach gibt es nur noch Tierärztin Kathrin Jost und einen weiteren Kollegen für Kühe und andere Nutztiere. Vor ein paar Wochen kam Kathrin Jost bei einer kalbenden Kuh zu spät. Grund: zu viele tierische Patienten und zu weite Entfernungen. "Da war ich 30 Kilometer entfernt, musste dann noch die 30 Kilometer fahren und da war es dann auch zu spät", sagt Kathrin Jost.
Landesweit fehlen Tierärztinnen und Tierärzte
Die Situation im Kreis Lörrach ist kein Einzelfall. Denn landesweit gibt es immer weniger Tierärztinnen und Tierärzte - auch diese Branche ist vom Fachkräftemangel betroffen. Ganz besonders im Bereich der Nutztiere, sagt Gesine Hesse. Sie ist selbst Tierärztin und Mitglied der Vorstandskammer in der Landestierärztekammer Baden-Württemberg.
"Die Arbeit in der Nutztierpraxis ist ein Knochenjob. Dieser Einsatz rund um die Uhr mit wenigen Pausen, das muss man schon wollen", sagt Gesine Hesse. Manche unter den Tierärztinnen und Tierärzten könnten das körperlich vielleicht auch nicht mehr leisten.
Schwarzwald ist zusätzliches Problem für Tierärztinnen und Tierärzte
Der Fachkräftemangel werde zusätzlich durch die geographischen Gegebenheiten verschärft, berichtet Gesine Hesse. Durch die Berge und Täler im Schwarzwald müssten Tierärztinnen und Tierärzte weite Wege fahren.
Im Winter sei es besonders schwer, die Höfe zu erreichen. Allein die Fahrtwege nehme viel Zeit in Anspruch. "Der Schwarzwald ist, so schön er ist, nicht unbedingt eine Herausforderung, die junge Tierärzte annehmen wollen", so Gesine Hesse.
Tierärztin im Kreis Lörrach ist am Limit
Von langen Fahrten kann Tierärztin Kathrin Jost ein Lied singen. Sie ist täglich rund 300 Kilometer mit dem Auto unterwegs, um zu ihren tierischen Patienten zu kommen. Ihre Arbeitstage dauern meist zwölf Stunden - wenn kein Notfall dazu kommt. Frei hat Kathrin Jost nur jedes zweite Wochenende, arbeitet also zwölf Tage am Stück. Das ist belastend, berichtet Jost.
"Der Frühling war sehr, sehr heftig. Abends bin ich oft erst zwischen neun und zehn heimgekommen". Zeit für Freizeit und Familie bleibe da kaum.
Wie kann das Problem gelöst werden?
Der Lörracher Kreisvorsitzende des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands BLHV, Heinz Kaufmann, schlägt einen Zuschuss vor, wenn Tierärztinnen und Tierärzte Nutztiere behandeln. Gesine Hesse von der Landestierärztekammer fände Zuschüsse wünschenswert und eine sinnvolle Maßnahme.
Auch Praxisgemeinschaften, wie in Großbritannien, könnten laut Gesine Hesse das Problem lösen. Die Tierärztinnen und Tierärzte haben sich dort zu größeren Praxen zusammengeschlossen. Dadurch könnten die Praxen eine Rundumbetreuung für ihr Klientel anbieten - auch auf größeren Gebieten. "Weil sie mehr Angestellte haben und auch die Ruhezeiten einhalten können", sagt Gesine Hesse.
Sie appelliert an die jungen Tierärztinnen und Tierärzte, in die freie Praxis zu gehen. Auch Kathrin Jost hat einen Wunsch: "Ich kann nur hoffen, dass wir wieder jemanden finden, der sich hier niederlässt und für die Tiere da sein möchte."