Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine

Ukrainische Waisenkinder in Freiburg: ein Jahr in der Fremde

Stand
Autor/in
Charlotte Schönberger
Charlotte Schönberger, Redakteurin und Reporterin beim SWR

Vor einem Jahr, kurz nach Kriegsbeginn, flüchteten 157 Waisenkinder mit ihren Betreuern aus der Ukraine. Ihr Ziel: Freiburg. Wie haben sie sich eingelebt? Ein Besuch.

Valeria räumt Kleidersäcke in einen Lkw, der im Hof der Ukrainehilfe "S`Einlädele" in Freiburg im Breisgau steht. Der Lastwagen wird sich noch am Nachmittag auf dem Weg in ihre Heimat machen: in die Ukraine, in die Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Also an den Ort, den die 15-Jährige Valeria und die anderen Kinder vor einem Jahr, am 25. Februar, fluchtartig verlassen mussten.

Nach einer kräftezerrenden Flucht kommen die 157 Kinder  und ihre Betreuerinnen und Betreuer nach einer dreitägigen Busfahrt in Freiburg an.
27.02.2022: Nach einer kräftezehrenden Flucht kommen die 157 Kinder und ihre Betreuerinnen und Betreuer in Freiburg an. Körperlich und emotional erschöpft von der tagelangen Busfahrt. Bild in Detailansicht öffnen
Ukrainische Waisenkinder in Freiburg im Breisgau
Roman Kornijko hat das "Vaterhaus" bei Kiew geleitet. Für die Kinder, viele von ihnen sind Waisen, ist er eine wichtige Bezugsperson und Konstante. Bild in Detailansicht öffnen
Emotionaler Abschied von den Männern, die sie mit den Busse raus aus dem Kriegsgebiet nach Freiburg gebracht haben.
Wenige Tage später, am 1. März 2022, müssen sich die Kinder von den Männern verabschieden, die sie mit Bussen raus aus dem Kriegsgebiet nach Freiburg gebracht haben. Bild in Detailansicht öffnen
Ein Jahr in der Fremde: Die ukrainische Kinder und Jugendliche aus einem Kinderheim bei Kiew kommen nach ihrer Flucht vor dem Krieg langsam in Freiburg an.
Die Fahrer kehren in die Ukraine zurück, um ihr Land gegen die russische Armee zu verteidigen. Bild in Detailansicht öffnen
In dieser Flüchtlingsunterkunft in Freiburg kamen viele der Kinder und Jugendlichen zunächst unter. Hier lernten sie ihre ersten Wörter Deutsch.
In dieser Flüchtlingsunterkunft in Freiburg kommen viele der Kinder und Jugendlichen zunächst unter. Hier lernten sie ihre ersten Wörter Deutsch, versuchten ihre Flucht zu verarbeiten. Bild in Detailansicht öffnen
Ukrainische Waisenkinder in Freiburg
Ende 2022 folgt der Umzug in die Kinderheime in Bad Krozingen (hier im Bild), Emmendingen und Freiburg. Bild in Detailansicht öffnen
Ein Jahr in der Fremde: Die ukrainische Kinder und Jugendliche aus einem Kinderheim bei Kiew kommen nach ihrer Flucht vor dem Krieg langsam in Freiburg an.
Gemeinsam mit ihren Betreuerinnen und Betreuern feiern sie Ende 2022 das erste Weihnachtsfest in der Fremde. Bild in Detailansicht öffnen
Ein Jahr in der Fremde: Die ukrainische Kinder und Jugendliche aus einem Kinderheim bei Kiew kommen nach ihrer Flucht vor dem Krieg langsam in Freiburg an.
Fast täglich gehen sie in Bad Krozingen spazieren. Das sei wichtig für die Kinder, betont Heimleiter Roman Kornijko. Sie hätten Zeit, in Ruhe miteinander zu reden und würde so Teil des gesellschaftlichen Lebens werden. Bild in Detailansicht öffnen

Ohnmachtsgefühl in der Fremde

Valeria fühlt sich oft ohnmächtig, wenn sie die Bilder des Krieges sieht, sagt sie. So weit weg von zu Hause. Sie ist froh, an diesem Vormittag in Freiburg mitanpacken zu können. Lebensmittel, Kleidersäcke und Möbel, all das soll in die Ukraine und den Menschen helfen.

"Ich schlafe nachts besser, wenn ich weiß, dass wir mit so was helfen können."

Ein Jahr in der Fremde: Die ukrainische Kinder und Jugendliche aus einem Kinderheim bei Kiew kommen nach ihrer Flucht vor dem Krieg langsam in Freiburg an.
Valeria sagt, es falle ihr, ein Jahr nach ihrer Flucht, etwas leichter, hier in Deutschland zu sein. Sie kommt langsam an, geht in die Schule. Trotzdem sei der Krieg für sie durch die Nachrichten allgegenwärtig.

Ende des vergangenen Jahres sind die Kinder und Jugendlichen erneut umgezogen. Aus den Flüchtlingsunterkünften raus in Kinderheime, die zu einem neuen Zuhause werden sollen.

Über den Umzug der Kinder in ein für sie umgebautes Kinderheim in Bad Krozingen berichtete SWR Aktuell im November 2022.

Und das würden sie langsam, beobachtet Jeannette Schmidt, pädagogische Leiterin bei der Evangelischen Stadtmission.

"Als die Kinder bei uns angekommen sind, waren sie sehr still, sind auf ihr Zimmer gegangen. Mittlerweile hören wir ganz viel Füße trappeln, Geklapper und Lachen."

Kindsein ist wieder möglich

Die Kinder und Jugendlichen lebten Tag für Tag mehr auf, erzählt Jeanette Schmidt weiter. Mittlerweile stellten sie auch ihre Zimmer um, richteten sich ein. Auch Valeria. Ende des Jahres waren die Haare der 15-Jährigen noch blond. Kurze Zeit waren sie pink. Jetzt hat sie ihre schwarzen Haare zu einem Dutt zusammengebunden. Für die Betreuerin Jeannette Schmidt ist das ein gutes Zeichen. Die Kinder und Jugendlichen würden sich endlich altersgerecht verhalten. Auch mal in die Diskussion mit den betreuenden Personen gehen.

Deutschlernen als nächste Herausforderung

Auch das Deutschlernen werde nun intensiviert. Das sei bislang oft für die Kinder weniger wichtig gewesen, weil sie viel Zeit im Kinderheim verbringen und dort unter sich bleiben. Das Erlebte und die täglichen Nachrichten aus ihrer Heimat hat die Kinder zusammengeschweißt. Nun gehen sie seit einigen Monaten auf Schulen in Südbaden, melden sich bei Vereinen an, finden langsam Freunde auch außerhalb des Heims. Das würde beim Spracherwerb helfen, beobachtet Jeannette Schmidt.

Jeannette Schmidt betreut die Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit ukrainischen Betreuerinnen in Bad Krozingen. Die Sprachbarriere ist eine der vielen Herausforderung, vor der sie täglich steht.
Jeannette Schmidt betreut die Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit ukrainischen Betreuerinnen in Bad Krozingen. Die Sprachbarriere ist eine der vielen Herausforderung, vor der sie täglich steht.

Ältere Kinder und Jugendliche hoffen auf baldige Rückkehr in die Ukraine

Roman Kornijko, der die Kinder aus dem Kriegsgebiet nach Freiburg brachte, beobachtet, dass sich besonders die jüngeren Kinder in Deutschland immer wohler fühlen. Den älteren Kindern und Jugendlichen falle das schwerer. Sie stünden ständig in Kontakt mit Verwandten und Freunden, sehen die Nachrichten, erzählt er. Für die Jugendlichen sei es einfach sehr schwer, mit der Situation, dem Verlust ihrer Heimat fertig zu werden. Sie alle hoffen auf das Kriegsende, darauf, bald in die Ukraine zurückkehren zu können.

Auch Valeria will zurück, beim Wiederaufbau helfen, wenn der Krieg vorbei ist. Und dann kann sie sich vorstellen, in Deutschland zu studieren.

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