In der Badischen Malerfachschule in Lahr (Ortenaukreis) hat eine engagierte Lehrerin das Projekt "Lesepaten" gestartet. Ehrenamtliche helfen Schülern ohne Deutschkenntnisse beim Lesenlernen. Die Schüler gehören zu einer Klasse, in der sie auf einen Job vorbereitet werden sollen. Für die meisten von ihnen sind das Alphabet und das Aneinanderreihen von Buchstaben ganz neu.
Eins-zu-eins-Betreuung durch Ehrenamtliche
Ausschließlich Jungen und junge Männer im Alter von 16 bis 22 Jahren sitzen in der Klasse. Viele von ihnen sind minderjährige Geflüchtete ohne Begleitung. Unterrichtet werden sie normalerweise von Lehrerin Friederike Posega. Die sagt: "Wir haben die einzige Alphabetisierungsklasse in der gesamten Ortenau. Ich habe 15, 16 Schüler darin. Einige sind schneller und andere langsamer. Und wir brauchen da einfach ein bisschen Unterstützung." Posega hat zum Schuljahresbeginn Helferinnen und Helfer gesucht, die einzeln mit den Schülern üben. Gemeldet haben sich bisher fünf Frauen.
Eine davon ist Lisbeth Siegwarth, Lehrerin im Ruhestand. Früher hat sie in einem Gymnasium Deutsch und Französisch unterrichtet, heute übt sie mit dem 20-jährigen Abdulrahman. Für eine Viertelstunde setzen sich Lesepatin und Schüler in einen Extra-Klassenraum. Abdulrahman kommt aus Syrien. Das lateinische Alphabet ist ihm völlig fremd. Er hangelt sich unter großer Anstrengung durch die kurzen Übungssätze. "Wir lesen die Wörter, die sie schon gelernt haben. Man merkt da je nach Herkunft, wie schwer es für die jungen Männer ist", sagt Lisbeth Siegwarth. Dass sich mal eine Person nur mit ihnen beschäftige, dass sei für die Schüler aber eine angenehme Unterbrechung des normalen Unterrichts.
Lesepatinnen erleben motivierte Schüler
Andersherum sei es für sie selbst sehr erfrischend mit den Jugendlichen zu arbeiten. "Ich habe das Gefühl, angenommen zu sein", sagt Siegwarth. Es werde ja sehr viel Negatives über die sogenannten UMAS gesprochen - also die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, so Siegwarth. Doch die pensionierte Lehrerin erlebt sehr engagierte Schüler, die lernwillig sind.
Auch die 68-jährige Christl Emsmann hat sich als Lesepatin gemeldet. Sie bringt viel Erfahrung im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen mit, denn sie hat selbst schon mehrere Jahre in Indien gelebt. "Da gibt es einfache Regeln, etwa dass man dem anderen nichts mit der linken Hand geben darf. Das ist im arabischen Raum ähnlich. Oder wie viel Berührung darf zwischen Mann und Frau stattfinden? Also ich habe hier noch keinem von den Jungs die Hand gegeben."
Dass in der Klasse nur junge Männer sind, das stört die Lesepatinnen nicht. Sie könne ja die Mama sein, meint Emsmann. Sie sei also eine Respektperson.
Auch Lehrerin Friederike Posega hat mit den Jungs in ihrer Klasse bisher vor allem gute Erfahrungen gemacht. Früher war sie Deutschlehrerin an einem Gymnasium. Zurück in die alte Position zieht es sie nicht.
"Zum ersten Mal sagen Schüler Danke"
"Also hier gab es das zum ersten Mal, dass ich am Freitag die Klasse verließ, und die Schüler sagten: Danke, dass Sie uns unterrichten! Da war ich platt. Das ist schön."
Posega wünscht sich, dass künftig vielleicht noch mehr Lesepatinnen in die Schule kommen und auch Lesepaten - also Männer: "Die Klasse besteht nur aus Jungen und ich glaube, das wäre ein sehr gutes Rollenmodell, wenn das auch mal Männer machen würden."