Die "Gartenhöfe" sind eines der Vorzeige-Bauprojekte des Landes, die Bundesbauministerin Klara Geywitz am Montag bei einer Reise durch Baden-Württemberg besucht hat. Die Stadt Lahr und die Wohnungsbaugesellschaft Wohnbau Stadt Lahr haben das Projekt gemeinsam mit künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern präsentiert. Darunter auch Manuela Ehret, die seit ihrer Geburt in einer der Wohnungen aus den 60er Jahren lebt.
Glück: Neue Wohnung bleibt für Manuela Ehret bezahlbar
Seit 55 Jahren ist Manuela Ehret in der Flugplatzstraße in Lahr (Ortenaukreis) zuhause. Sie ist hier geboren. Niemals habe sie ausziehen wollen, sagt Ehret. In diesem Sommer zieht sie aber trotzdem um - aus einer dunklen Etagenwohnung mit Holzofen, in ein neues energieeffizientes Gebäude. Es steht gleich nebenan als Teil des Bauprojekts "Lahrer Gartenhöfe".
Zehn Häuser mit 120 Wohnungen sollen hier am Rand des Stadtteils Dinglingen entstehen. Sie werden in den kommenden Jahren nach und nach neun marode Wohnblocks mit 118 Wohnungen ersetzen. Fertig sind jetzt die ersten vier Gebäude mit 42 Wohnungen. Manuela Ehret ist eine der ersten Bewohnerinnen, die umziehen.
Angst vor Verdrängung war groß
Als 2018 bekannt wurde, dass an der Flugplatzstraße neu gebaut und die alten Wohnblock nach und nach abgerissen werden würden, war das erstmal ein Schock für Ehret und die ganze Nachbarschaft. Man kennt sich hier. Im Sommer findet das Leben auf der Straße statt, da hängt die Wäsche auf langen Leinen, da spielen die Kinder und die Alten halten ihr Schwätzchen. Alle hätten Angst gehabt verdrängt zu werden, ihr gewohntes Umfeld zu verlieren und sich die neuen Wohnungen nicht leisten zu können, erzählt Ehret. "Meine 87-jährige Mutter lebt dort drüben, meine Tochter, ein Enkelkind."
Doch es kam anders. Die Wohnbau Lahr hat die Menschen in die Planung eingebunden. Zusammen mit der Caritas wurden Treffen organisiert, bei denen sie ihre Wünsche und Ideen einbringen konnten. Und bald war klar: Es ging vor allem um den Preis.
Ab Juli wird die Wohnbau nun die ersten Wohnungen zu Preisen anbieten, die deutlich unter den ortsüblichen Mieten liegen. Im ersten Bauabschnitt werden 90 Prozent der Wohnungen für 7,50 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Sie sind öffentlich gefördert. Die übrigen zehn Prozent kosten je Quadratmeter einen Euro mehr.
Günstige Preise nur durch Querfinanzierung möglich
"Das war eigentlich nur möglich, weil die Stadt uns hier mit Eigenkapital in Höhe von 750.000 Euro unterstützt, das Grundstück uns selber gehört und wir das über den eigenen Wohnungsbestand quersubventionieren", sagt Guido Echterbruch, Geschäftsführer der Wohnbau Lahr. Für 7,50 Euro je Quadratmeter rechne das Projekt sich nicht, selbst mit der Unterstützung aus dem Landeswohnraum-Förderprogramm, wo man ein zinsgünstiges Darlehen bekommen habe, blieben die Gartenhöfe ein kleines Drauflege-Geschäft.
Eigentlich würden Neubauwohnungen in Lahr aktuell zwischen 11 und 12 Euro vermietet, im hochpreisigen Segment sogar für 14 Euro, so Echterbruch. Die Einbindung der Menschen im Quartier hat den Planern der Wohnbau allerdings gezeigt, dass ihnen ein günstiger Mietpreis das Allerwichtigste ist. Das hat auch Klara Geywitz bei ihrem Besuch mitgenommen.
Neuer Gebäudetyp für günstigen Wohnraum
"Hier wird eine Priorität gesetzt", so die SPD-Bundesbauministerin. Die Mieter verzichten lieber auf goldene Wasserhähne und zahlen dafür weniger Miete. Man habe in Deutschland aber inzwischen viele hohe bauliche Standards, die sich aus gesetzlichen Regeln und DIN-Normen zusammengemischt hätten und das Bauen teuer machten. Man arbeite deshalb an einem Gebäudetyp E für einfache, gute und sichere Gebäude, die aber nicht so teuer seien, weil sie nicht so hohe Ausstattungsstandards hätten, so Geywitz.
Bei der Energieeffizienz sollen allerdings auch die Lahrer Gartenhöfe hohe Anforderungen erfüllen. Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen sichern die Energieversorgung. Manuela Ehret wird sich auf eine Fußbodenheizung umstellen müssen. "Bisher haben wir ja das Holz aus dem Keller hochgetragen und mit einem Ofen die ganze Wohnung geheizt. Das wird schon eine Umstellung."
Klara Geywitz besuchte auch Neubauprojekt in Lauchringen
In Lauchringen (Kreis Waldshut) hatte sich Geywitz schon am Montagvormittag ein Neubauprojekt angeschaut. Auch dort soll bezahlbarer Wohnraum für einkommensschwächere Menschen entstehen - auf dem Gelände des ehemaligen Textilherstellers Lauffenmühle.
Nach einer Insolvenz im Jahr 2019 hatte die Gemeinde das riesige Areal für 7,5 Millionen Euro gekauft. Unter anderem sollen dort nun 350 neue Wohnungen entstehen. Klara Geywitz spricht von einer mutigen Entscheidung der vergleichsweise "kleinen" Gemeinde mit nur 8.000 Einwohnern.
Die denkmalgeschützten, alten Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, darunter die Schlosserei, die Weberei und die Spinnerei bleiben erhalten und werden für Kultur und Gewerbe geöffnet. Auf dem Rest des Geländes soll auch bezahlbarer Wohnraum für einkommensschwache Menschen entstehen. Das neue Konzept verzichtet auf Parkplätze, stattdessen soll eine alte Lagerhalle als Quartiersgarage genutzt werden. Der Bachlauf der Wutach soll renaturiert und in eine Parkanlage verwandelt werden. 2019 hatte die Lauffenmühle nach 185 Jahren ihren Betrieb endgültig eingestellt. Das Unternehmen hatte in der Hochzeit mehr als 2.000 Beschäftigte, von denen viele aus Italien und der Türkei nach Lauchringen kamen. Ihre Nachkommen prägen bis heute das Leben in der Gemeinde.