Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat ein Lahrer Hilfsverein rund 300 Tonnen Hilfsgüter in das kriegsgebeutelte Land geliefert. Mehr als 100 Fahrten hat der Verein Gemeinsam Europa aus dem Ortenaukreis nach eigenen Angaben organisiert. Der SWR hat einen Helfer bei seiner jüngsten Tour begleitet.
Mit zwei Autos in die Ukraine
Ein Morgen Ende Januar in Lahr. Mit zwei Autos soll es in die Ukraine gehen. Neben einem mit Hilfsgütern vollgepackten Auto soll bei dieser Fahrt auch ein gespendeter Wagen überführt werden. Da die deutsche TÜV-Zulassung kurz vor dem Ablauf steht, ist Eile geboten. Die Mitarbeiterin in der Lahrer Zulassungsstelle ist hilfsbereit. Jetzt braucht der Wagen noch ein Überführungs-Kennzeichen, das eine Frau gleich neben der Zulassungsstelle herstellt. Sie wünscht dem Team einen schönen Tag und gute Fahrt. "Und zurückkehren! Und nur gute und freundliche Leute treffen!"
SWR-Reporter Sebastian Bargon berichtet von der Hilfsfahrt in die Ukraine.
Erster Auftrag kam über Nacht
Auf dem 1.400 Kilometer langen Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze erzählt der Wahl-Freiburger Roy Doberitz, wie er dazu kam, sich für den Lahrer Hilfsverein zu engagieren: Er saß nach dem russischen Angriff eine Woche lang "wie paralysiert" vor dem Fernseher und verfolgte die Nachrichten. Dann beschloss der Frühpensionär, aktiv zu werden. Bei einer Internetrecherche stieß er auf den Lahrer Verein Gemeinsam Europa und bot seine Hilfe als Fahrer an. Spätabends dann der Anruf: "Kannst Du morgen Hilfsgüter an die ukrainische Grenze fahren?"
Probleme an polnischer Grenze
Es war der Start für ein Dutzend Hilfsfahrten - jetzt ist er zum zwölften Mal unterwegs. Der gespendete Wagen soll in der Nähe von Freiburgs Partnerstadt Lwiw im Westen der Ukraine an eine Hilfsorganisation übergeben werden. Danach soll es mit dem mit Feuerlöschern, Medizin, Babysachen und Tierfutter beladenen anderen Auto ins 130 Kilometer weiter südlich gelegene Kalusch gehen. Doch an der polnischen Grenze gibt es Probleme: Das Spendenauto hat keine EU-Ausfuhrgenehmigung. Sie liegt erst am nächsten Tag vor. Also Planänderung: Sowohl das Auto als auch die Hilfsgüter sollen nun an zwei ukrainische Helfer am Stadtrand von Lwiw übergeben werden.
Schwierige Verständigung
Die Fahrt nach Lwiw führt an mehreren Kontrollpunkten der ukrainischen Armee vorbei, wo bewaffnete Soldaten Wache halten und Menschen kontrollieren. Mithilfe des Lahrer Vereins gelingt es per Messenger-Dienst, ein Treffen mit zwei ukrainischen Mitgliedern am Stadtrand zu organisieren. Volodymyr übernimmt den gespendeten Wagen, Ruslan und Roy verladen die Hilfspakete vom anderen Auto in Ruslans Transporter. Da Ruslan kein Englisch spricht, ist die Verständigung nur über ein Übersetzungsprogramm per Handy möglich. Der Ukrainer tippt eine Botschaft in sein Telefon. Daraufhin erklingt eine Frauenstimme: "Ich hoffe, dass beim nächsten Mal alles in Ordnung ist und Sie nach Kalusch kommen. Wir warten."
Trotz Widrigkeiten weiter helfen
Roy Doberitz ist von der Dankbarkeit der Menschen in der Ukraine tief beeindruckt. Trotz aller Widrigkeiten wie der anstrengenden Fahrt und des stundenlangen Wartens an der Grenze bei klirrender Kälte wolle er schon bald wieder humanitäre Hilfe leisten, erzählt er auf der Rückfahrt. Er rät Menschen, die Interesse an Hilfstransporten haben, sich unbedingt einem Verein anzuschließen, der gute Kontakte in die Ukraine hat. Ansonsten sei das äußerst schwierig. Es gebe auch in Polen Vereine und Institutionen, die Hilfsgüter in die Ukraine bringen.
Auch andere Hilfsorganisationen raten übrigens zur Vorsicht. Ein Einsatz von Helfern in der Ukraine, die sich im Land wenig oder gar nicht auskennen, sei gefährlich, schreibt etwa die Caritas. Nach dem Beginn des Krieges hatte unter anderem auch das Deutsche Rote Kreuz davon abgeraten, einfach ins Auto zu steigen und ins Krisengebiet zu fahren.