"Tischgemeinschaft Harpolingen"

Kochen für ein ganzes Dorf: Wie die Harpolinger sich selbst helfen

Stand
Autor/in
Petra Jehle
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Es könnte trostlos sein in Harpolingen, einem Ortsteil von Bad Säckingen. Aber das ist es nicht. Dank einer Dorfgemeinschaft, die zusammenhält - und einer guten Idee.

Die Dorfgemeinschaft im 600-Seelen-Ort Harpolingen (Kreis Waldshut) lebt. Alt und Jung treffen sich seit einigen Wochen im umgebauten ehemaligen Rathaus des Bad Säckinger Ortsteils. Dort wird zusammen gekocht, gegessen, Hausaufgaben gemacht und gespielt. Das Projekt "Tischgemeinschaft Harpolingen" füllt eine Lücke in der Kinderbetreuung und sorgt gleichzeitig dafür, dass ältere Menschen weniger alleine sind.

Gemeinschaft geht durch den Magen

Zwischen 20 und 35 Mahlzeiten pro Tag werden in der neuen Küche im ehemaligen Rathaus in der Dorfmitte zubereitet. Das Angebot ist neu, aber die Resonanz ist groß. Überpünktlich um 12 Uhr kommen die ersten Gäste. Die Schülerinnen und Schüler kommen eine halbe Stunde später mit dem Schulbus aus dem Nachbarort. Zur Vorspeise gibt es an diesem Tag Salat, zum Hauptgang eine Spaghetti und zum Nachtisch Vanille-Creme mit Kirschen.

Frisches Essen und zum Nachtisch Dorfklatsch

Das Tagesmenü kommt gut an. Es sei gut und reichlich gewesen und es habe sogar Nachschlag gegeben, freut sich ein Rentner und zeigt auf den leer geputzten Teller vor sich. Seine Frau ist noch bei den letzten Bissen. Sie schätzt, dass sie hier auch Dinge bekomme, die sie selbst nicht koche. Beide freuen sich auch darüber, dass sie gemeinsam mit anderen Dorfbewohnern am Tisch sitzen und sich austauschen können - statt alleine zu Hause zu sitzen, weil die Kinder zum Arbeiten aus dem Dorf weggezogen sind.

Beim Mittagsessen trifft man sich in Harpolingen: Alt und Jung kommen zusammen
Das Essen kommt so gut an, dass Barbara Bußjäger Nachschlag bringen muss.

Auch für die Kinderbetreuung ist gesorgt

Für uns ist es eine riesige Entlastung. Das ist eine tolle Einrichtung hier.

Auch dem Grundschüler Lukas schmeckt es an diesem Tag. Nudeln mag er, Salat allerdings isst er nicht so gern. Seine Mutter, Gudrun Papadopoulos, ist dankbar für das neue Angebot. So oft es geht, kommen auch sie und ihr Mann her zum Essen. Die beiden sind Ärzte in einer Praxis in der Nachbarstadt. Sie lebe gerne mit ihrer Familie auf dem Land, sagt Lukas' Mutter. Aber pünktlich daheim sein, wenn Lukas und seine kleine Schwester aus Schule und Kindergarten kommen, das sei schwierig. Im Harpolingen selbst gibt es schon länger keine Grundschule mehr. Das neue Angebot entlaste die ganze Familie und mache ihren Alltag leichter.

Beim Mittagsessen trifft man sich in Harpolingen: Alt und Jung kommen zusammen.
Nach dem Essen wird zusammen mit den Senioren des Dorfes gelernt und gespielt.

Für die Kindergartenkinder braucht es eine extra Erlaubnis

Noch dürfen sie in ihrer Tischgemeinschaft allerdings nur Grundschulkinder betreuen. Damit auch die Kinder des benachbarten Kindergartens hier essen dürfen, braucht es spezielle Genehmigungen. Sie arbeite daran auch diese zu bekommen, sagt Christine Oechslein. Sie hat das Projekt initiiert und die Spenden- und Fördergelder - auch die der SWR Herzenssache - dafür zusammengetragen.

Wir sind alle zusammengewürfelt, das hat unseren Horizont erweitert.

Beim Mittagsessen trifft man sich in Harpolingen: Alt und Jung kommen zusammen
Christine Oechslein und das ehrenamtlichen Küchenteam haben viel Spass bei ihrer Arbeit.

Von der Bauherrin zur Küchenfee

Im Frühjahr, nach eineinhalb Jahren Bauzeit, ging die Tischgemeinschaft an den Start. Seitdem wird dort von Dienstag bis Donnerstag das Dorf bekocht. Jeder darf kommen. Erwachsene zahlen 9 Euro für das Gericht, Kinder 3,50 Euro. Morgens gegen 10 Uhr geht es los mit schnippeln, rühren, waschen und bruzzeln. Zehn Frauen und Männer sind das Kernteam der Küche. Auch Christine Oechslein, die Initiatorin, ist jeden Tag da und hilft mit. Sie sagt, das Projekt habe ihren Horizont erweitert.

Für mich ist das schönste Gefühl, wenn ich an der Spülmaschine stehen und sehe: Da sitzen alle zusammen und reden. Wir haben doch einiges bewegt.

Chance am Dorfleben dabei zu sein

Für Ute Velten-Fischer ist die Tischgemeinschaft auch ein Projekt, mit dem sie zurück ins Leben gefunden hat. Sie ist eine von zwei Minijobbern bei dem Projekt und als einzige vom Fach. Sie habe vor acht Jahren einen Schlaganfall gehabt, nicht mehr sprechen und nicht mehr arbeiten können, erzählt die gelernte Köchin und Deutschlehrerin. In der Küche der Tischgemeinschaft kann sie wieder mit anderen plaudern und lachen. Nur wenn es stressig wird, merke sie die Einschränkungen, so Velten-Fischer.

Beim Mittagsessen trifft man sich in Harpolingen: Alt und Jung kommen zusammen
Die neue Tischgemeinschaft ist auch eine Chance. Ute Velten-Fischer kann nach einem Schlaganfall wieder mitarbeiten.

Doch Stress machen sie sich hier ohnehin nicht. Es geht darum, ihr Dorf zusammen noch ein Stück lebenswerter zu machen. Gemeinsam haben sie genau das erreicht und darauf sind sie auch ein wenig stolz.

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