#Notfall Rettung

Wie 1.600 Ersthelfende im Raum Freiburg per App Leben retten

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Autor/in
Jan Lehmann
SWR Redakteur Jan Lehmann

Bei Herzversagen zählt jede Minute. Eine App alarmiert in der Region Freiburg Ersthelfende, die zufällig in der Nähe sind. Das war schon für so manchen die Rettung - zum Beispiel für Caro.

Die App "Lebensretter" alarmiert Ersthelfer und Ersthelferinnen: Zwei bis drei Mal pro Tag schrillt irgendwo in Freiburg oder im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald ein Handy. Ein unangenehmer Sirenenton, den man nicht überhören kann. Das bedeutet: In unmittelbarer Umgebung schlägt ein Herz nicht mehr so, wie es soll. Dann macht sich der Handybesitzer in Windeseile auf zum Unglücksort, um erste Hilfe zu leisten. Oft ist der oder die Ersthelfende vor dem Krankenwagen da.

Lebensretter sind fünf Minuten früher da

So war es auch bei Caro Althauser. Als sie an einem Sonntagmorgen wie gewohnt zu ihrer Sportgruppe stößt, bricht sie plötzlich zusammen. Herz-Kreislauf-Stillstand. Und das, obwohl sie eigentlich kerngesund ist, sportlich und ernährungsbewusst. Doch es kann jeden treffen.

Ihre Sportkameraden beginnen sofort, sie zu reanimieren und wählen den Notruf. Die Freiburger Leitstelle alarmiert nicht nur den Rettungsdienst, sondern parallel per "Lebensretter"-App auch alle Ersthelfer, die sich in der Nähe von Caro befinden. Und sie hat Glück: Ein Notfallmediziner und ein Pfleger, die in der Nachbarschaft wohnen, reagieren. Sie sind binnen drei bis vier Minuten vor Ort. Sie übernehmen die Herzdruckmassage und beatmen Caro, bis der Krankenwagen kommt.

So berichtete SWR1 Baden-Württemberg am 17.7.2024 über die Lebensretter-App:

Die 37-Jährige überlebt ohne bleibende Schäden

"Ich hatte großes Glück", sagt die 37-Jährige. Obwohl sie danach tagelang im Koma lag, hat sie keine bleibenden Schäden davongetragen. Nach spätestens fünf Minuten ohne Herzschlag und Atmung wird der Organismus dauerhaft geschädigt. Deshalb überleben so wenige einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Von mindestens 55.000 Betroffenen jährlich überstehen ihn nur etwa 7.400 lebend.

So viele Rettungswachen können wir gar nicht bauen in Deutschland, dass wir in fünf Minuten an jedem Ort sind.

Es könnten deutlich mehr sein, wenn die Hilfe schneller käme. Doch das können die professionellen Rettungsdienste kaum leisten, sagt der Freiburger Notfallmediziner Michael Müller. Selbst wenn sie, wie von Experten gefordert, in der Regel in acht Minuten vor Ort wären, kämen sie für Herzpatienten zu spät. "Deswegen", sagt Müller, "brauchen wir ein System, mit dem wir diese Einsatzzeiten überbrücken".

Freiburger Lebensretter-Modell macht Schule

Müller hat 2017 den Verein "Region der Lebensretter" mitgegründet. Inzwischen sind mehr als 1.600 ehrenamtliche Retterinnen und Retter registriert. Es sind Ärzte, Sanitäter, Pflegende oder auch Polizisten, die mindestens eine Ausbildung zur Sanitätshelferin oder zum -helfer haben. Anfangs ein Pilotprojekt, hat das Freiburger Modell landesweit Schule gemacht. In Baden-Württemberg nutzen inzwischen 26 Stadt- und Landkreise die App der Region der Lebensretter. Ersthelfer-Apps sollen nach dem am Mittwoch beschlossenen neuen Rettungsdienstgesetz nun landesweit zum Standard werden. Bundesweit nutzen allerdings bislang weniger als die Hälfte der Regionen eine solche App, wie eine Datenauswertung des SWR Data Lab zeigt.

Ein Mann kommt dank des Lebensretter-Einsatzes wieder zu sich

Was wenige Minuten Vorsprung bei Herzstillstand ausmachen, hat Anna-Maria Waibel erst kürzlich erlebt. Da zeigte ihr Handy einen Notfall quasi vor ihrer Haustüre in Freiburg. Anna-Maria schnappte ihren Ersthelfer-Rucksack und war in knapp vier Minuten vor Ort. Ein Mann, etwa Mitte 50, lag da leblos auf dem Gehweg. "Wir haben dem Patienten tatsächlich das Leben gerettet, er ist wieder zu sich gekommen und wir konnten noch mit ihm sprechen", erzählt sie und strahlt. Es sind Momente wie dieser, für die sich die unzähligen Einsätze lohnen - auch die, bei denen jede Hilfe zu spät kommt.

Man kann sich nichts Schöneres vorstellen, als ein Leben zu retten.

Ersthelferin Anna-Maria Waibel
Anna-Maria Waibel ist seit vier Jahren ehrenamtliche Ersthelferin der "Region der Lebensretter" - und hat durch schnelle Wiederbelebung schon Menschenleben gerettet.

Bis zu vier Lebensretter bei Notfällen im Einsatz

Wenn die Sirene auf dem Handy ertönt, heißt das aber nicht, dass man den Einsatz auch annehmen muss. "Manchmal geht es einfach nicht", sagt Anna-Maria. Das sei dann auch okay. Oder es haben schon andere den Notruf angenommen. Bis zu vier Ersthelfer werden pro Einsatz alarmiert. Zwei reanimieren, einer schaut nach einem öffentlichen Defibrillator in der Nähe und der vierte lotst den Krankenwagen an die richtige Stelle. "Egal wer kommt von den Lebensrettern, man ist sofort ein Team", schwärmt Anna-Maria.

Studie soll belegen, dass die Überlebensrate mit Ersthelfer-App steigt

Im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und im Stadtkreis Freiburg - also der Region der Lebensretter - wurden nach Angaben der Barmer Krankenkasse in den Jahren 2020 bis 2022 etwas mehr reanimierte Patientinnen und Patienten lebend ins Krankenhaus eingeliefert als statistisch zu erwarten wären. Liegt das an den Einsätzen der Lebensretter? Valide Statistiken gibt es dazu bislang nicht. Notfallmediziner Michael Müller hofft, dass eine groß angelegte Studie bald Klarheit bringt. Sie untersucht, wie sich die Überlebensrate nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand verändert, nachdem in einer Region eine Ersthelfer-App eingeführt wurde. "Wir hoffen natürlich, dass wir beweisen können, dass wir mit dem System mehr Leben retten", sagt Müller.

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