Das Freiburger Publikum hat die Premiere der Dreigroschenoper am Stadttheater gefeiert. Aus dem altbekannten Stoff hat das Team um Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer einen dramatischen und unterhaltsamen Abend gestaltet. SWR-Reporterin Chris Libuda hat sich das angesehen und -gehört und ist begeistert.
Oper für arme Leute - darum geht's:
Ende der 1920er Jahre in Deutschland spitzt sich vieles zu: zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Kapitalismus und Kommunismus scheint alles möglich. In dieser gesellschaftlichen Umbruchphase wird die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Elisabeth Hauptmann – mit der unverkennbaren Ohrwurmmusik von Kurt Weill – uraufgeführt. Der Zuhälter und Gauner Macheath, genannt Mackie Messer, entdeckt die Liebe zu Polly, der Kaufmannstochter. Ein neues Leben scheint möglich! Aber Mackie entkommt seinen Verhältnissen nicht, wird schließlich verhaftet und soll gehängt werden. Dem Galgen entgeht er im letzten Moment, weil: für Geld kann man alles kaufen. Selbst die Freiheit.
Der Haifisch, der hat Zähne.
Die Dreigroschenoper ist keine Oper im eigentlichen Sinn, hier werden keine Arien geträllert. Die Dreigroschenoper ist eher eine schmissige Revue, ein Schlager jagt den nächsten; Gassenhauer nannte man das einst. Und so haben sich die Melodien von Kurt Weill zu den Texten von Bertolt Brecht fest in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingebrannt.
Dass Mackie ein Messer hat, das dürfte auch bekannt sein. Dass aber die Texte die wohlklingenden Melodien konterkarieren – das merkt man erst beim genauen Hinhören.
In einem mehrstöckigen Gebäude turnen Polly, Macheath und Co. treppauf, treppab über die Bühne. Sie bewegen sich rhythmisch, wiederholt auch in Zeitlupe. Dabei spielen sie pantomimische Gesten, wie man sie aus den Schwarz-Weiß-Filmen der 1920er Jahre kennt – Dick und Doof lassen grüßen. Auch ein Hamsterrad darf nicht fehlen - wie einst Charlie Chaplin verheddern sich die Personen in der großen Maschinerie des Kapitalismus. Im heftigsten Kontrast dazu stehen die Kostüme und das Bühnenbild. Die Darstellerinnen und Darsteller sind bis zur Unkenntlichkeit aufgebläht. Auf der Bühne entstehen Bilder wie aus einem überdimensionalen Comic, die man sicher nicht so schnell vergisst. Hat man sich als Zuschauerin oder Zuschauer einmal in die Szenerie eingefunden, will man nicht mehr aufhören zu gucken, zu staunen und zu kichern.
Opernsängerinnen und Schauspieler gemeinsam
So gelingt dem Team eine Inszenierung, die überraschend und zeitlos daherkommt. Die Texte von Brecht und der damaligen Dramaturgin Elisabeth Hauptmann wurden maximal verändert. Die aktuelle Brisanz der Brechtschen Worte wird zusätzlich durch Anspielungen auf die Welt des modernen Managements und berühmte Aussagen von Politikern unterstrichen.
Zu einem der vielen genialen Höhepunkte der Inszenierung im Theater Freiburg gehört übrigens, dass die Sängerinnen und Sänger immer wieder ihre Opernstimme auspacken und die Zuschauerinnen und Zuschauer mitreißen. Eben nicht so singen, wie man es aus den alten Aufnahmen von Lotte Lenya und anderen kennt und vielleicht erwarten würde.
Dreigroschenoper in Freiburg - das Fazit:
In welchen Verhältnissen wir auch immer leben – ob in der Zwischenkriegszeit in Deutschland wie Brecht, dem heutigen Tik-Tok-Theater oder in einer möglichen Zukunft unter Zwitterwesen aus Roboter und Mensch: Immer wieder werden die Umstände, die Verhältnisse, in denen man lebt, als Ausrede benutzt, um nichts ändern zu müssen. Das wollte schon Brecht seinen Mitmenschen nicht durchgehen lassen und das sagt uns auch die aktuelle Inszenierung der Dreigroschenoper am Theater Freiburg. Hingehen!