Im 19. Jahrhundert war das Leben im Ausland vielerorts attraktiver als in Deutschland. Die arme Bevölkerung des Weindorfs Pfaffenweiler (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) wurde zur Auswanderung nach Algerien nahezu genötigt. Diese tragische Geschichte inspirierte den aus Bühl stammenden Schriftsteller Sven Recker zu seinem Roman "Der Afrik".
SWR-Reporter Stefan Schlegel berichtet aus Pfaffenweiler:
Gemeinde hat Auswanderung nach Algerien durch Abholzung finanziert
Um die Armen der Gegend loszuwerden, wurde ein ganzer Wald abgeholzt und an Winzer verkauft, um die Ausreise nach Algerien zu finanzieren. Die entstandene Rebfläche erhielt den Namen "Afrika". Die Gemeinde Pfaffenweiler versprach ihren Auswanderern damals das Paradies, doch die Realität sah ganz anders aus. Aus Bittbriefen und Hilferufen der Ausgewanderten wurde klar, dass das Leben in Afrika nicht annähernd so war, wie man gehofft hatte. Viele der 132 Menschen wollten zurück. Die Geschichte ist im Dorf ausführlich dokumentiert und es gibt auch ein Denkmal am oberen Rand des Weinbergs, das an die Auswanderung erinnert.
"Der Afrik" erzählt Vertreibungsschicksal eines Rückkehrers
Schriftsteller Sven Recker erzählt die Auswanderungsgeschichte aus der Perspektive eines einsamen Rückkehrers, der "der Afrik" genannt wurde. Sein richtiger Name ist Franz Xaver Luhr. Den gab es wirklich, aber die Geschichte, die der Roman beleuchtet, ist fiktiv. "Der Afrik" im Roman ist ein ziemlicher Kauz und Außenseiter. Jahrzehntelang plant er seine Rache an der Gemeinde dafür, dass er mit seiner Mutter unter völlig falschen Versprechungen nach Afrika gebracht wurde. Dieser Racheplan wird dann aber durcheinander gebracht, weil plötzlich ein verstörter Junge vor seiner Hütte auftaucht und auf Französisch sagt: "Tu es famille", z.Dt. "Du bist Familie".
Großes Interesse bei Autorenlesung in Bad Krozingen
Bei der Autorenlesung des Buches im Kino in Bad Krozingen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) Anfang September ist der Saal rappelvoll. Die Hälfte der Gäste kommt aus Pfaffenweiler. Das Interesse an der eigenen Dorfgeschichte ist offenbar groß. Rosemarie Ehret erzählte, dass "der Afrik" auf dem Hochzeitsbild ihrer Großeltern zu sehen war und er insofern nicht so ein Außenseiter gewesen sein kann, wie im Roman dargestellt. Sven Recker stellte bei der Lesung klar, dass er kein Historiker sei und dass es nach gründlicher Recherche mühsam gewesen wäre, sich von der realen Geschichte zu befreien, um die erfundene gut erzählen zu können.
Der Pfaffenweiler Bürgermeister Lukas Mahler bedankte sich bei der Lesung ausdrücklich für die Aufmerksamkeit, die die Dorfgeschichte durch das Buch erfahre. Sven Recker ließ verlauten: Ihn habe die forcierte Auswanderungsgeschichte auch deshalb interessiert, weil sie ähnliche Dramen zeige wie heutige Migrationsgeschichten aus Afrika, allerdings mit umgekehrten Rollen.
Das Kulturgespräch in SWR2 am Morgen (06.09.) widmet sich dem neuen Roman von Sven Recker:
Pfaffenweiler Weingut erinnert mit Rotwein "Afric" an Dorfgeschichte
Mit dem Roman "Der Afrik" gräbt Sven Recker nichts Verborgenes aus. Das Weingut Hug verkauft sogar einen Wein mit dem Namen "Afric". Die Trauben wachsen auf dem Rebstück, das einst zur Finanzierung der Auswanderung genutzt wurde.