Spenden für private Zwecke?

Gericht will Verfahren gegen "Querdenken"-Gründer Ballweg einstellen - Staatsanwaltschaft dagegen

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Reporter/in
Frieder Kümmerer
Frieder Kümmerer
Autor/in
Werner Trefz
Werner Trefz
Christian Spöcker
Christian Spöcker, SWR

Die Anklage wirft dem "Querdenken"-Gründer vor, über eine halbe Million Euro an eingeworbenen Spenden für private Zwecke genutzt zu haben. Nun hat sich das Gericht geäußert.

Das Stuttgarter Landgericht schlägt vor, das Verfahren gegen den "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg wegen Geringfügigkeit einzustellen. Das wurde am Montagmorgen vor Gericht bekannt. "Zusammenfassend kommt die Strafkammer zu dem Schluss, dass hinsichtlich des Tatvorwurfs des versuchten Betrugs in 9.450 Fällen voraussichtlich der Tatnachweis nicht zu erbringen sein wird", erklärte Gerichtssprecher Timur Lutfullin. "Hinsichtlich des Vorwurfs der versuchten und der vollendeten Steuerhinterziehung könne ein Tatnachweis möglicherweise nur im Hinblick auf einen kleineren Restbetrag erbracht werden."

Bei rund 380.000 Euro sei etwa schlicht nicht nachweisbar, was mit dem Geld passiert sei, sagte Lutfullin. Von den Vorwürfen der Steuerhinterziehung bleibt nach Ansicht des Gerichts nach derzeitigem Stand allenfalls ein Betrag von 2112,18 Euro übrig. Bei beiden Delikten sehe das Gericht es als Problem an, den Vorsatz nachzuweisen. Nach Auffassung der Kammer gebe es auch wenig Aussicht, dass sich das noch erhärten lasse. Es gehe beim Vorschlag der Einstellung auch um Verfahrensökonomie, sagte der Gerichtssprecher. Der Prozess sei mit viel Aufwand verbunden. Aus Sicht des Gerichts steht der Aufwand nicht im Verhältnis zum zu erwartenden Urteilsspruch.

Michael Ballweg steht im Stuttgarter Landgericht.
Michael Ballweg (M), Gründer der "Querdenken"-Bewegung, kommt in einen Saal des Landgerichts Stuttgart.

Staatsanwaltschaft pocht auf Fortgang des Verfahrens

Die Staatsanwaltschaft lehnt den Vorschlag des Gerichts jedoch ab, das Verfahren einzustellen. Die bisherige Beweisaufnahme gebe keinen Anlass dazu. "Die Kammer hat noch viele Verhandlungstage terminiert, über 20, und die Beweisaufnahme ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft deshalb noch lange nicht abgeschlossen", sagte Staatsanwältin Stefanie Ruben. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sei eine Verurteilung Ballwegs wahrscheinlich, hieß es. Die Behörde wirft Michael Ballweg vor, von eingeworbenen Spenden mehr als eine halbe Million Euro für private Zwecke genutzt zu haben. Damit hätte er Spender über die Verwendung der Gelder getäuscht.

Laut Strafprozessordnung kann ein Verfahren bei bereits erhobener Klage nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten wegen Geringfügigkeit eingestellt werden. Vergangene Woche hatten sich Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft in einer nichtöffentlichen Sitzung über den Verfahrensstand ausgetauscht.

So reagiert Michael Ballweg auf den Gerichts-Vorschlag

Der Angeklagte selbst zeigte sich erfreut über den Vorschlag des Gerichts. Nicht er müsse seine Unschuld beweisen, sondern das Gegenteil sei der Fall, sagte Ballweg dem SWR.

Es gilt ja immer noch dieses Prinzip 'in dubio pro reo', im Zweifel für den Angeklagten. Also nicht: Der Angeklagte muss seine Unschuld beweisen, sondern: der Staat muss die Schuld nachweisen. Und es hat mich sehr gefreut, dass die Vorsitzende auch das heute erwähnt hat in ihrem Statement.

Staatsanwaltschaft stellt Befangenheitsantrag gegen Richter

Am Abend teilte ein Gerichtssprecher mit, dass die Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin und zwei Beisitzer gestellt habe. Auf SWR-Anfrage erklärte die Staatsanwaltschaft, dass sie besorgt sei, dass die Richterin ihre Rechtsauffassung bereits einseitig und unumstößlich zugunsten des Angeklagten festgelegt habe.

Befangenheitsanträge gegenüber Richtern sind grundsätzlich nicht ungewöhnlich, allerdings werden sie üblicherweise von der Verteidigung und nicht von der Anklage gestellt. Wie der Sprecher des Gerichts mitteilte, werde das Verfahren vorerst weiterlaufen. Innerhalb von zwei Wochen müsse über den Antrag abgestimmt werden. Mindestens bis dahin werde das bisherige Richterteam mit den Verhandlungen betraut bleiben.

"Querdenken"-Bewegung entstand während der Corona-Pandemie

Ballweg soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft durch öffentliche Aufrufe mehr als eine Million Euro von tausenden Menschen für die Organisation eingeworben, die Spender aber über die Verwendung von Geldern getäuscht haben. Die Ankläger werfen ihm vor, 575.929,84 Euro für private Zwecke verwendet zu haben. Dokumentiert sind belegbare Ausgaben für die "Querdenken"-Bewegung in Höhe von 843.111,68 Euro. Ballweg ist nicht wegen Betrugs, sondern nur wegen versuchten Betrugs angeklagt, weil einigen Spendern wohl gleichgültig war, was mit dem Geld passiert, so die Argumentation der Staatsanwaltschaft.

Demonstrationen für Freilassung Ballwegs

Mehrere Monate saß Michael Ballweg in Untersuchungshaft, weil die Behörden von einer Fluchtgefahr ausgingen. Ballwegs Anwälte hatten die Vorwürfe immer wieder zurückgewiesen, Anhänger protestierten dagegen vor dem Gefängnis. Im Zuge der Corona-Pandemie hatte sich die Querdenken-Bewegung von Stuttgart aus in vielen Städten formiert. Sie demonstrierte immer wieder öffentlich gegen die politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus und griff dabei auch Polizisten und Medienvertreter an.

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